Die Jagd beginnt
zerfleddert, manche auch nur noch aus Bruchstücken bestehend. Der ganze Raum schien nur aus Büchern und Manuskripten zu bestehen. Überall standen gefüllte Regale; nur Tür, Fenster und Kamin waren frei. Die Stühle hatten hohe Lehnen und waren gut gepolstert, aber auf der Hälfte von ihnen und auf den meisten kleinen Tischen lagen ebenfalls Bücher. Sogar unter manche Möbelstücke hatte man Bücher und Pergamentrollen gepackt. Allerdings gehörte Moiraine selbst nur das Durcheinander auf dem Tisch vor ihr.
Sie stand auf und trat zum Fenster. Dort spähte sie in die Nacht hinaus. Nicht weit entfernt schimmerten die Lichter des Dorfes. Hier bestand keine Gefahr von Verfolgung. Keiner würde erwarten, dass sie hierher kam. Wieder einen klaren Kopf bekommen und noch einmal von vorn anfangen, dachte sie. Das ist alles, was ich tun kann.
Keiner der Dorfbewohner hatte eine Ahnung davon, dass die beiden ältlichen Schwestern, die in dem gemütlichen Haus wohnten, Aes Sedai waren. So etwas vermutete man nicht in einem kleinen Ort wie Tifans Quell, einem Bauerndorf mitten in der Grasebene von Arafel. Die Dorfbewohner kamen zu den Schwestern, um Ratschläge hinsichtlich ihrer Sorgen, Heilkräuter und Salben für ihre Krankheiten zu erhalten, und sie schätzten sie als vom Licht gesegnete Frauen, aber nicht mehr. Adeleas und Vandene hatten sich vor so langer Zeit in die freiwillige Einsamkeit begeben, dass sich auch in der Weißen Burg nur wenige an sie erinnerten.
Mit dem genauso alten Behüter, der ihnen geblieben war, lebten sie ein ruhiges Leben und planten immer noch, eine Geschichte der Welt seit der Zerstörung zu schreiben und auch noch so viel wie möglich von der Geschichte davor mit einzuschließen. Eines Tages. In der Zwischenzeit gab es so viele Informationen, die man sammeln musste; so viele Rätsel zu lösen. Ihr Haus war der ideale Ort, an dem Moiraine die benötigten Informationen finden konnte. Abgesehen davon, dass es hier heiß war.
Sie nahm eine Bewegung wahr und drehte sich um. Lan lehnte an dem aus gelbem Backstein gemauerten Kamin und wirkte so unbeweglich wie ein Felsblock. »Erinnerst du dich an unser erstes Zusammentreffen, Lan?«
Sie wartete auf eine Reaktion, sonst hätte sie das kurze Zucken seiner Augenbrauen nicht bemerkt. Sie konnte ihn nicht oft überraschen. Das war eigentlich ein Thema, das keiner von beiden berührte. Vor fast zwanzig Jahren hatte sie ihm mit dem Stolz einer so jungen Person gesagt, dass sie es nie wieder erwähnen werde und das gleiche Schweigen von ihm erwarte.
»Ich erinnere mich«, war alles, was er sagte.
»Und du entschuldigst dich immer noch nicht, oder? Du hast mich in einen Teich geworfen.« Sie lächelte nicht, obwohl sie sich mittlerweile darüber amüsieren konnte. »Jeder Fetzen Kleidung, den ich trug, war durchnässt, und das zu einer Jahreszeit, die Ihr Männer der Grenzlande den Vorfrühling nennt. Ich wäre beinahe erfroren.«
»Ich erinnere mich auch daran, dass ich Feuer machte und Decken aufhängte, damit du dich ungesehen aufwärmen konntest.« Er stocherte zwischen den brennenden Scheiten herum und hängte den Feuerhaken wieder an seinen Platz. In den Grenzlanden waren selbst die Sommernächte kühl. »Ich erinnere mich weiterhin daran, dass du den halben Teich über mich geleert hast, während ich schlief. Es hätte uns beiden eine ganze Menge Zähneklappern erspart, wenn du mir einfach gesagt hättest, dass du eine Aes Sedai bist, anstatt es mir zu demonstrieren. Und anstatt zu versuchen, mich von meinem Schwert zu trennen. Das ist keine gute Methode, dich einem Mann aus den Grenzlanden vorzustellen, selbst für eine junge Frau.«
»Ich war wirklich jung und einsam, und du warst genauso groß wie jetzt, und deine Härte war stärker spürbar. Du solltest nicht wissen, dass ich eine der Aes Sedai war. Ich dachte mir zu jener Zeit, du würdest meine Fragen ehrlicher beantworten, wenn du es nicht wüsstest.« Sie schwieg und dachte an die Jahre seit diesem Zusammentreffen. Es war gut gewesen, einen Begleiter für ihre lange Suche zu finden. »In den Wochen danach, hast du da geahnt, dass ich dich bitten würde, mir den Treueid zu schwören? Ich hatte mich schon am ersten Tag entschlossen, dass du derjenige sein solltest.«
»Das hätte ich nie gedacht«, antwortete er trocken. »Ich war zu sehr damit beschäftigt, dich mit heiler Haut nach Chachin zu bringen. Jeden Abend hattest du eine andere Überraschung für mich. Ich denke da besonders
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