Die Jagd beginnt
an die Ameisen. Ich glaube nicht, dass ich den ganzen Ritt über auch nur eine einzige ruhige Nacht hatte.«
Sie erlaubte sich bei der Erinnerung ein leichtes Lächeln. »Ich war jung«, wiederholte sie. »Und scheuert dein Halsband dich nach all den Jahren wund? Du bist kein Mann, der ein solches Halsband leicht erträgt, nicht einmal dann, wenn es so sanft ist wie das meine.« Der Kommentar war beißend, und das hatte sie auch beabsichtigt.
»Nein.« Seine Stimme klang kühl, doch er nahm den Feuerhaken wieder in die Hand und stocherte mit völlig überflüssiger Heftigkeit in der Glut herum. Funken stoben in den Kamin. »Ich habe frei gewählt und wusste, worauf ich mich einlasse.« Der Eisenstab klapperte wieder an seinem Haken, und er verbeugte sich höflich. »Eine Ehre, Euch zu dienen, Moiraine Aes Sedai. Das war so und wird immer so sein.«
Moiraine seufzte. »In deiner Unterwürfigkeit, Lan Gaidin, lag schon immer mehr Hochmut, als Könige mit einem ganzen Heer im Rücken an den Tag legten. Das war so seit dem ersten Tag, da ich dich traf.«
»Warum sprichst du so über die Vergangenheit, Moiraine?«
Zum hundertsten Mal – jedenfalls schien es ihr so – überlegte sie sich ihre Worte. »Bevor wir Tar Valon verließen, traf ich Vorsorge für den Fall, dass mir etwas zustoßen sollte. Dein Eid wird dann an eine andere weitergegeben.« Er sah sie schweigend an. »Wenn du fühlst, dass ich sterbe, wird dich ein innerer Zwang dazu bringen, sie sofort aufzusuchen. Ich will nicht, dass du davon überrascht wirst.«
»Gezwungen«, hauchte er zornig. »Nie zuvor hast du den Behüterbund benutzt, um mich zu etwas zu zwingen. Ich glaubte, du lehntest das ganz und gar ab.«
»Wenn ich dies nicht verfügt hätte, wärst du nach meinem Tod vom Bund befreit, und nicht einmal mein nachdrücklichster Befehl würde befolgt. Ich werde nicht zulassen, dass du bei dem nutzlosen Versuch, mich zu rächen, selbst umkommst. Und ich werde dir nicht gestatten, zu deinem ebenso nutzlosen Privatkrieg in der Fäule zurückzukehren. Der Krieg, in dem wir stehen, ist derselbe Krieg. Wenn du das nur einsähest! Ich werde dafür sorgen, dass du einen sinnvollen Kampf kämpfst. Weder Rache zu üben noch einsam in der Fäule zu sterben kann einen Sinn haben.«
»Und siehst du deinen baldigen Tod kommen?« Seine Stimme klang ruhig; sein Gesicht war ausdruckslos. Beides wirkte wie Stein in einem Wintersturm. Diese Stimmung hatte sie an ihm schon oft bemerkt, gewöhnlich, wenn er nahe daran war, Gewalt anzuwenden. »Hast du etwas ohne mich geplant, das dir den Tod bringen wird?«
»Ich bin froh, dass es in diesem Raum keinen Teich gibt«, murmelte sie, und als er sich bei ihrem leichten Tonfall versteifte, hob sie beschwichtigend die Hände. »Ich sehe meinem Tod jeden Tag ins Gesicht, genau wie du. Wie könnte das auch anders sein angesichts der Aufgabe, der wir uns so viele Jahre gewidmet haben? Jetzt, da sich alles zuspitzt, wird die Wahrscheinlichkeit einfach größer.«
Einen Augenblick lang betrachtete er seine großen, eckigen Hände. »Ich habe nie daran gedacht«, sagte er schwerfällig, »dass du vor mir sterben könntest. Irgendwie schien es mir selbst in der schlimmsten Lage …« Er rieb sich die Hände. »Wenn die Möglichkeit besteht, dass ich wie ein Schoßhündchen weitergereicht werde, möchte ich wenigstens wissen, wem ich übergeben werde.«
»Ich habe dich nie als Schoßhündchen betrachtet«, sagte Moiraine in scharfem Tonfall, »und Myrelle tut es auch nicht.«
»Myrelle.« Er verzog das Gesicht. »Ja, es musste wohl eine Grüne sein, sonst hätte es nur irgendein Mädchen sein können, das gerade erst die volle Schwesternschaft erlangt hat.«
»Wenn Myrelle mit ihren drei Gaidins fertig werden kann, dann schafft sie dich vielleicht auch noch. Obwohl sie dich, wie ich weiß, gern behalten würde, hat sie mir doch versprochen, dich an eine andere weiterzugeben, wenn sie eine findet, die besser zu dir passt.«
»Aha. Kein Schoßhündchen, sondern ein Paket. Myrelle wird also nur eine … Aufseherin sein! Moiraine, nicht einmal die Grünen behandeln ihre Behüter so. Keine Aes Sedai hat in den letzten hundert Jahren ihren Behüterbund an eine andere weitergegeben, aber du hast das mit mir nicht nur einmal, sondern sogar zweimal vor!«
»Es ist geregelt, und ich werde es nicht mehr rückgängig machen.«
»Licht blende mich, aber wenn ich schon von Hand zu Hand weitergereicht werden soll, hast du dann
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