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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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der Soldaten durchsuchte Fain grob, aber er ertrug es schweigend und bemerkte dabei noch, dass der Offizier und die beiden Soldaten, die die Truhe aufhoben, ihre Schwerter und Dolche ablieferten, bevor sie hineingingen. Alles, was er über diese Leute in Erfahrung bringen konnte, ob wichtig oder unbedeutend, könnte einmal hilfreich sein, obwohl er am Gelingen seines Plans keinen Zweifel hegte. Er besaß ein großes Selbstvertrauen, aber dort war es am größten, wo Lords das Messer eines Attentäters aus den eigenen Reihen fürchteten.
    Als sie das Tor durchschritten, sah ihn der Offizier mit finsterem Erstaunen an. Einen Augenblick lang fragte sich Fain, warum. Ach, natürlich. Diese Kreaturen neben dem Tor. Was sie auch waren, sie waren sicher nicht schlimmer als Trollocs und gar nichts, verglichen mit einem Myrddraal, und er hatte sie nicht weiter beachtet. Jetzt war es zu spät, um noch Furcht vor ihnen zu heucheln. Aber der Offizier sagte nichts und führte ihn lediglich weiter in das Haus hinein.
    Und so lag Fain schließlich auf dem Bauch, das Gesicht nach unten, in einem unmöblierten Zimmer, in dem nur hölzerne Stellwände die wirklichen Wände dahinter verbargen, während der Offizier dem Hochlord Turak von ihm und seiner Gabe erzählte. Diener trugen einen Tisch herein, auf den man die Truhe stellte, damit der Hochlord sich nicht bücken musste. Alles, was Fain von ihnen sah, waren flink hin und her eilende Pantoffeln. Ungeduldig wartete er. Schließlich würde einmal der Zeitpunkt kommen, an dem nicht er es mehr war, der sich verbeugen musste.
    Dann wurden die Soldaten weggeschickt, und man sagte Fain, er solle sich erheben. Er tat das langsam und musterte derweil sowohl den Hochlord mit seinem glatt rasierten Kopf, den langen Fingernägeln und der blauen, mit Blumen gesäumten Seidenrobe, wie auch den Mann, der neben ihm stand und auf der unrasierten Seite seines Kopfes das Haar zu einem langen Zopf geflochten hatte. Fain war sicher, dass der Kerl in Grün nur ein Diener war, wenn auch vielleicht hoch im Rang, aber Diener konnten nützlich sein, besonders wenn sie hoch in der Gunst ihres Herren standen.
    »Ein wundervolles Geschenk.« Turaks Blick hob sich von der Truhe und erfasste Fain. Ein Duft nach Rosen wehte von dem Hochlord herüber. »Doch die Frage liegt auf der Hand: Wie kommt jemand wie Ihr an eine Truhe, die viele weniger hochstehende Adlige sich niemals leisten könnten? Seid Ihr ein Dieb?«
    Fain zupfte an seinem abgetragenen und nicht gerade sauberen Mantel. »Es ist manchmal notwendig, Hochlord, dass ein Mann weniger erscheint, als er ist. Mein augenblickliches schäbiges Aussehen ermöglichte mir, Euch dies unbehelligt zu überbringen. Die Truhe ist alt, Hochlord – sie stammt aus dem Zeitalter der Legenden – und in ihr liegt ein Schatz, den nur wenige Augen jemals erblickt haben. Bald – sehr bald, Hochlord – werde ich fähig sein, sie zu öffnen und Euch das zu übergeben, was Euch ermöglichen wird, dieses Land zu erobern, so weit Ihr nur wollt, bis zum Rückgrat der Welt, zur Aielwüste, zu den Ländern dahinter. Nichts wird sich Euch in den Weg stellen, Hochlord, sobald ich …« Er brach ab, als Turak mit seinen langen Fingernägeln über die Truhe strich.
    »Ich habe solche Truhen schon gesehen, Truhen aus dem Zeitalter der Legenden«, sagte der Hochlord, »allerdings noch keine so prächtige. Man hat sie so konstruiert, dass nur der sie öffnen kann, der das Muster kennt, aber ich – ah!« Er drückte an den Schnörkeln und Knöpfen herum, ein scharfes Klicken ertönte, und er hob den Deckel hoch. Ein Aufflackern – vielleicht war es Enttäuschung – huschte über sein Gesicht.
    Fain biss sich in die Wangen, dass das Blut herausquoll, damit er nicht vor Wut fauchte. Es verschlechterte seine Lage bei der zu erwartenden Feilscherei erheblich, dass nicht er es gewesen war, der die Truhe öffnete. Trotzdem konnte alles andere so ablaufen, wie er es geplant hatte, wenn er sich nur zur Geduld zwang. Aber er hatte schon so lange geduldig sein müssen.
    »Das soll ein Schatz aus dem Zeitalter der Legenden sein?«, fragte Turak, und er hob das gekrümmte Horn mit der einen und den geschweiften Dolch mit dem Rubin im Griff mit der anderen Hand heraus. Fain ballte die Hände zu Fäusten, damit er nicht nach dem Dolch griff. »Das Zeitalter der Legenden«, wiederholte Turak leise, und er fuhr die silbern eingelegte Schrift um die goldene Öffnung des Horns herum mit der Spitze

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