Die Jagd beginnt
Die anderen beiden nahmen schnell braune Tücher von ihren Schultern und wickelten sie sich um die Köpfe. Die älteren Frauen zogen schwarze Schleier über ihre Gesichter, die alles bis auf die Augen verbargen, während die jüngste sich aufrichtete, um es ihnen anschließend gleichzutun. Geduckt näherten sie sich ihnen mit kurzen, gleichmäßigen Schritten, die Schilde und die Speerbündel vor sich haltend. Jede hielt einen Speer wurfbereit in der freien Hand.
Ingtar zog sein Schwert. »Haltet Abstand! Aes Sedai. Ihr auch, Erith.« Hurin schnappte sich den Schwertbrecher und konnte sich nicht entschließen, was er in die andere Hand nehmen sollte: Keule oder Schwert. Nach einem Blick auf die Speere der Aiel wählte er schließlich das Schwert.
»Das dürft Ihr nicht!«, protestierte das Ogiermädchen. Sie rang die Hände und wandte sich erst Ingtar zu, dann den Aiel und dann wieder Ingtar. »Tut das nicht!«
Rand wurde erst jetzt klar, dass er das Reiherschwert in der Hand hielt. Perrin hatte seine Axt halb aus der Gürtelschlaufe gezogen, zögerte aber und schüttelte den Kopf.
»Seid ihr zwei verrückt geworden?«, wollte Mat wissen. Sein Bogen hing nach wie vor auf seinem Rücken. »Es ist mir gleich, ob es Aiel sind – aber es sind Frauen!«
»Hört auf!« Verin griff in das Geschehen ein. »Hört sofort mit diesem Unsinn auf!« Die Aiel kamen der Aufforderung nicht nach, und die Aes Sedai ballte wütend die Fäuste.
Mat stellte einen Fuß in den Steigbügel. »Ich verlasse euch«, verkündete er. »Hört ihr mich? Ich bleibe nicht so lange, dass sie mich mit diesen Dingern aufspießen können, und ich werde nicht auf eine Frau schießen!«
»Der Pakt!«, schrie Loial. »Denkt an den Pakt!« Das zeitigte auch nicht mehr Wirkung als Verins und Eriths wiederholte Aufforderungen.
Rand bemerkte, dass sich sowohl die Aes Sedai als auch das Ogiermädchen aus der Schusslinie der Aiel heraushielten. Er fragte sich, ob Mats Einfall der richtige gewesen war. Er war sich nicht sicher, ob er eine Frau verletzen konnte, auch wenn sie versuchte, ihn zu töten. Den Ausschlag gab aber schließlich die Feststellung, dass sich die Aiel nur noch etwa dreißig Schritt vor ihm befanden und er wohl kaum noch die Zeit hatte, den Braunen zu erreichen und aufzusteigen. Er vermutete, dass diese kurzen Speere durchaus über dreißig Schritt hinweg ihr Ziel treffen konnten. Als sich die Frauen immer noch geduckt und kampfbereit weiter näherten, machte er sich bald keine Gedanken mehr darüber, ihnen nicht wehzutun, sondern eher, wie er sie davon abhalten konnte, ihm wehzutun.
Nervös suchte er nach dem Nichts und fand es schnell. Außerhalb driftete der entfernte Gedanke, dass es tatsächlich nur das Nichts war. Das Glühen von Saidar fehlte. Die Leere war leerer als je zuvor, größer, wie ein Hunger, der gewaltig genug war, ihn zu verzehren. Ein Hunger nach mehr; da musste doch noch etwas anderes kommen.
Plötzlich trat ein Ogier mit bebendem Spitzbart zwischen die beiden Gruppen. »Was hat das zu bedeuten? Legt die Waffen nieder!«, rief er betroffen. »Ihr …« – sein Blick erfasste Ingtar und Hurin, Rand und Perrin und trotz seiner leeren Hände auch Mat –»… habt ja noch eine Entschuldigung, aber ihr …« – und damit trat er auf die Aielfrauen zu, die ihren Vormarsch beendet hatten – »… habt ihr etwa den Pakt vergessen?«
Die Frauen zogen so hastig die Schleier und Tücher von Gesichtern und Köpfen, dass man glauben konnte, sie wollten vergessen machen, wie sie diese vorher bedeckt hatten. Das Gesicht des Mädchens glühte, und die anderen Frauen blickten zerknirscht drein. Eine der beiden älteren Frauen, die mit dem rötlichen Haar, sagte: »Vergebt uns, Baumbruder. Wir würdigen den Pakt, und wir hätten auch nicht unsere Waffen erhoben, befänden wir uns nicht im Lande der Baumtöter, wo sich jede Hand gegen uns erhebt, und wenn wir nicht bewaffnete Männer gesehen hätten.« Rand sah, dass ihre Augen genauso grau waren wie seine.
»Ihr befindet euch in einem Stedding , Rhian«, sagte der Ogier sanft. »Jeder ist in einem Stedding sicher und geborgen, kleine Schwester. Hier gibt es keinen Kampf, und es wird keine Hand gegen einen anderen erhoben.« Sie nickte verschämt, und der Ogier wandte sich Ingtar und den anderen zu.
Ingtar steckte sein Schwert zurück, und Rand folgte seinem Beispiel, wenn auch nicht so schnell wie Hurin, der beinahe genauso verlegen wirkte wie die Aiel. Perrin hatte
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