Die Jagd beginnt
bemühte sich, aber sie war selbst völlig durcheinander, denn trotz all ihrer Fähigkeiten hatte sie keine Ahnung, woran das Mädchen gestorben war. Rand hatte draußen vor ihrem Haus gesessen, als Egwene starb, und es schien in Emondsfelde keinen Ort zu geben, an dem ihm nicht immer noch ihre Schreie in den Ohren klangen. Ihm war klar, dass er nicht hier bleiben konnte. Tam gab ihm ein Schwert mit einer durch einen Reiher gekennzeichneten Klinge mit. Er erklärte Rand nicht, wie ein Schäfer von den Zwei Flüssen an eine solche Waffe gekommen war, doch er brachte Rand bei, wie man damit umging. Am Tag von Rands Abreise gab er ihm einen Brief und sagte, mit dessen Hilfe könne Rand in die Armee von Illian aufgenommen werden. Dann umarmte er ihn und sagte noch: »Ich hatte nie einen anderen Sohn und wollte auch keinen. Komm zurück und bringe dir eine Frau mit, so wie ich damals, Junge, aber komm auf jeden Fall zurück.«
Rand wurde aber in Baerlon sein ganzes Geld gestohlen und auch noch der Brief und beinahe das Schwert. Er traf dort eine Frau namens Min, die ihm so verrückte Sachen erzählte, dass er schließlich die Stadt verließ, um ihr zu entkommen. Irgendwann führte ihn seine Wanderung nach Caemlyn, und dort brachte ihm sein geschickter Umgang mit dem Schwert einen Platz in der königlichen Garde ein. Manchmal sah er die Tochter-Erbin Elayne an, und dabei dachte er so ungereimtes Zeug wie: dies sei alles nicht so, wie es in Wirklichkeit sein sollte und es müsste eigentlich in seinem Leben vieles anders laufen. Doch Elayne bemerkte ihn natürlich überhaupt nicht. Sie heiratete einen Prinzen aus dem Tarengebiet, schien aber in der Ehe nicht glücklich zu sein. Rand war nur ein Soldat, der einst Schafhirte gewesen war und aus einem kleinen Dorf so weit weg an der westlichen Grenze stammte, dass nur die Striche auf einer Landkarte es noch mit Andor verbanden. Außerdem hatte er den Ruf eines düsteren Mannes, der schnell aufbrauste.
Manche behaupteten sogar, er sei verrückt, und zu normalen Zeiten hätte wahrscheinlich nicht einmal sein Geschick mit dem Schwert ausgereicht, um ihm den Platz in der Garde zu erhalten, aber dies waren eben keine normalen Zeiten. Falsche Drachen schossen wie Unkraut aus dem Boden. Jedes Mal, wenn einer besiegt war, tauchten zwei oder gar drei neue auf, bis alle Nationen schließlich von Kriegen erschüttert wurden. Und Rands Stern war im Aufgehen, denn er hatte das Geheimnis seiner scheinbaren Verrücktheit gelöst – ein Geheimnis, das er allerdings anderen gegenüber sorgfältig wahrte. Er konnte die Macht lenken. Es gab immer Zeitpunkte und Orte, wo ihm ein klein wenig der Macht – nicht genug, um in all dem Durcheinander aufzufallen – Glück brachte. Manchmal klappte es damit; manchmal auch nicht, aber eben oft genug. Er wusste, dass er wahnsinnig sein musste, aber es war ihm gleich. Eine Krankheit zehrte ihn allmählich aus, aber auch das war ihm gleich und allen anderen auch, denn man hatte erfahren, dass Artur Falkenflügels Heer zurückgekehrt war und das Land für sich beanspruchte.
Rand führte tausend Gardesoldaten der Königin über die Verschleierten Berge. Er dachte nicht daran, einen Umweg zu machen und die Zwei Flüsse zu besuchen; er dachte überhaupt nur noch selten an die Heimat. Er war Kommandant der Garde, als ihre zerschlagenen Reste den Rückzug über die Berge antraten. Überall in ganz Andor kämpfte er und zog sich inmitten der Massen von Flüchtlingen zurück, bis er schließlich nach Caemlyn kam. Viele Bewohner der Stadt waren bereits geflohen, und man riet dem Heer, noch weiter zurückzuweichen, doch nun war Elayne Königin, und sie wollte Caemlyn nicht verlassen. Sie sah sein von der Krankheit zernarbtes Gesicht nicht an, aber er konnte sie trotzdem nicht verlassen, und so bereiteten sich die Überreste der königlichen Garde darauf vor, die Königin zu beschützen, während ihre Untertanen flohen.
In der Schlacht um Caemlyn kam die Macht über ihn, und er schleuderte Blitze und Feuer auf die Eindringlinge, spaltete die Erde unter ihren Füßen und hatte doch das Gefühl, er sei zu etwas anderem berufen. Trotz seiner Taten waren es zu viele Feinde, und auch unter ihnen waren einige, die die Macht lenken konnten. Schließlich traf ein Blitz Rand und schleuderte ihn von der Palastmauer. Zerbrochen, blutend und verbrannt lag er da, und während der letzte Atemzug in seiner Kehle rasselte, hörte er eine Stimme flüstern: Ich habe wieder
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