Die Jagd beginnt
waren den Menschen zutiefst in die Knochen gefahren. Sie hatten ihre Toten begraben, doch sie wagten nicht, den verbrannten Fleck auf dem Dorfplatz zu säubern. Keiner von ihnen erzählte, was vorgefallen war, doch Hurin hatte sich übergeben müssen, als sie das Dorf betraten. Er weigerte sich, sich dem geschwärzten Fleck am Boden zu nähern.
Atuansmühle war zur Hälfte verlassen, als sie dort eintrafen. Einige Bewohner waren nach Falme geflohen, weil sie hofften, die Seanchaner würden in einer so sicher beherrschten Stadt nicht ganz so hart regieren. Andere waren nach Osten gegangen. Weitere erzählten, dass auch sie daran dächten. Auf der Ebene von Almoth fanden Kampfhandlungen statt. Man behauptete, die Taraboner kämpften gegen die Domani, aber wenigstens kamen die Fackeln, mit denen die Häuser entzündet wurden, aus den Händen von Menschen. Selbst ein Krieg war leichter zu ertragen als das, was die Seanchaner angerichtet hatten und noch anrichten könnten.
»Warum hat Fain das Horn nur hierher gebracht?«, murmelte Perrin. Jeder von ihnen hatte sich das von Zeit zu Zeit gefragt, aber keiner hatte die Frage beantwortet. »Hier herrscht Krieg, und dann sind diese Seanchaner da mit ihren Ungeheuern. Warum also gerade hierher?«
Ingtar drehte sich im Sattel um und sah sie an. Sein Gesicht wirkte beinahe so hager wie das Mats. »Es gibt immer Männer, die in den Wirren des Krieges ihren eigenen Vorteil sehen. Fain ist einer davon. Zweifellos will er das Horn erneut stehlen, und wenn es diesmal vom Dunklen König selbst ist, und es dann zum eigenen Vorteil nützen.«
»Die Pläne des Vaters der Lügen sind niemals einfach und durchschaubar«, sagte Verin. »Es kann sein, dass er Fain das Horn hierher bringen lassen will, und der Grund ist eben nur im Shayol Ghul bekannt.«
»Monster«, schnaubte Mat. Seine Wangen waren eingefallen; die Augen lagen in tiefen Höhlen. Dass er sich so gesund anhörte , machte die Sache nur noch schlimmer. »Sie haben ein paar Trollocs gesehen oder einen Blassen, wenn ihr mich fragt. Und warum auch nicht? Wenn Aes Sedai für die Seanchaner kämpfen, warum dann nicht auch Blasse und Trollocs?« Er bemerkte, wie ihn Verin anblickte, und zuckte ein wenig zusammen. »Na ja, es sind wirklich welche, an der Leine oder nicht. Sie können die Macht benützen, und das macht sie zu Aes Sedai.« Er sah Rand an und lachte heiser. »Das macht auch dich zu einem Aes Sedai. Licht, hilf uns allen!«
Masema kam von vorn durch Matsch und Regen angaloppiert. »Vor uns liegt ein weiteres Dorf, Lord Ingtar«, sagte er, als er sein Pferd neben ihm zum Stehen brachte. Sein Blick streifte Rand kaum, wurde aber trotzdem sichtlich härter. Danach sah er ihn nicht mehr an. »Es ist verlassen, Lord Ingtar. Keine Dorfbewohner, keine Seanchaner, überhaupt niemand. Die Häuser wirken aber alle unbeschädigt, außer, was zwei oder drei betrifft, die … na ja, die einfach nicht mehr da sind, Herr.«
Ingtar hob die Hand und befahl einen schnellen Trab.
Das Dorf, das Masema gefunden hatte, lag am Abhang eines Hügels. Die Häuser waren aus Stein gebaut, hatten flache Dächer und meist nur ein Stockwerk. Drei davon, die wohl größer gewesen und an einer Seite des gepflasterten Dorfplatzes errichtet worden waren, lagen nun in Trümmern. Über den Platz verstreut lagen rußgeschwärzte Mauerbruchstücke und Dachsparren. Ein paar Fensterläden knallten auf und zu, wenn der Wind böig wurde. Ingtar stieg vor dem einzigen großen Gebäude ab, das noch stand. Das knarrende Schild über dem Eingang zeigte eine Frau, die mit Sternen jonglierte. Es stand aber kein Name drauf. Der Regen spritzte in zwei dünnen Fäden von den Ecken des Schilds herunter. Verin eilte hinein, während Ingtar sagte: »Uno, durchsuche alle Häuser. Wenn noch jemand da ist, kann er uns vielleicht sagen, was hier passiert ist, und wir erfahren etwas mehr über die Seanchaner. Und wenn du etwas zum Essen findest, bringe es auch mit. Und Decken.« Uno nickte und ließ seine Männer abzählen. Ingtar wandte sich Hurin zu. »Was riechst du? Ist Fain hier durchgekommen?«
Hurin rieb sich die Nase und schüttelte den Kopf. »Er nicht, Lord Ingtar, und auch keine Trollocs. Aber wer auch immer das angerichtet hat, hat einen schlimmen Gestank hinterlassen.« Er deutete auf die Trümmer der Häuser. »Es war Mord, Herr. Dort drinnen befanden sich Menschen.«
»Seanchaner«, grollte Ingtar. »Gehen wir rein. Ragan, such einen Stall für die
Weitere Kostenlose Bücher