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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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gesehen.
    Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn, und das rührte nicht nur von der Anstrengung her. Ihre Verbindung zu Saidar war abgerissen, und sie konnte sie nicht wieder herstellen. In der ersten Wut über Liandrins Verrat war Saidar ihr zugeflogen, bevor es ihr überhaupt bewusst wurde, und sie wurde von der Einen Macht durchströmt. Es war ein Gefühl gewesen, als könne sie schlechthin alles bewältigen. Und solange sie verfolgt worden war, hatte der Zorn darüber, wie ein Tier gejagt zu werden, den nötigen Antrieb geliefert. Doch nun war von einer Jagd nichts mehr zu spüren. Je länger sie weitergeritten war, ohne einen Gegner zu entdecken, auf den sie mithilfe von Saidar einschlagen konnte, desto größer war ihre Furcht geworden, sie könnten sich heimlich anschleichen, und außerdem hatte sie zu viel Zeit gehabt, darüber nachzugrübeln, was wohl mit Egwene und Elayne und Min geschehen sein könne. Nun musste sie sich selbst eingestehen, dass sie vor allem Angst hatte. Angst um die anderen, Angst um ihrer selbst willen. Sie brauchte aber den Zorn.
    Etwas rührte sich hinter einem Baum.
    Ihr stockte der Atem, und sie suchte wie von selbst nach Saidar , doch all die Übungen unter der Leitung Sheriams und der anderen, all die Blüten, die sich in ihrem Geist öffneten, die Vorstellung all der Ströme halfen nichts. Sie konnte die Quelle fühlen, wusste, dass sie da war, aber berühren konnte sie sie nicht.
    Elayne trat vorsichtig geduckt hinter dem Baum hervor, und Nynaeve sackte vor Erleichterung in sich zusammen. Das Kleid der Tochter-Erbin war schmutzig und zerrissen, ihr goldenes Haar war mit Kletten und Blättern verfilzt, und ihre suchenden Augen wirkten wie die eines erschreckten Rehs, aber sie hielt ihren Kurzdolch fest in der Hand. Nynaeve nahm die Zügel auf und ritt aus der Deckung.
    Elayne fuhr erschrocken zusammen, doch dann fasste sie sich an die Kehle und atmete tief durch. Nynaeve stieg ab, und die beiden Frauen umarmten sich. Sie waren glücklich, sich gefunden zu haben.
    »Einen Augenblick lang«, sagte Elayne, als sie sich wieder losließen, »habe ich geglaubt, du wärst … Weißt du, wo sie sind? Zwei Männer haben mich verfolgt. Noch ein paar Minuten, und sie hätten mich gehabt, aber dann erklang ein Horn, und sie wendeten ihre Pferde und galoppierten fort. Sie konnten mich bereits sehen, Nynaeve, aber sie ritten einfach weg.«
    »Ich habe es auch gehört und seither nichts mehr von ihnen gesehen. Hast du Egwene oder Min gesehen?«
    Elayne schüttelte den Kopf. Sie ließ sich auf den Boden fallen und saß erschöpft da. »Nicht mehr, seit … Dieser Mann hat Min niedergeschlagen. Und eine dieser Frauen versuchte, Egwene etwas um den Hals zu legen. So viel habe ich gesehen, und dann bin ich geflohen. Ich glaube nicht, dass sie entkommen konnten, Nynaeve. Ich hätte etwas unternehmen sollen. Min hat die Hand geschnitten, die mich festhielt, und Egwene … Ich bin einfach nur geflohen, Nynaeve. Mir wurde klar, dass ich einen Moment lang frei war, und schon bin ich losgerannt. Mutter sollte am besten Gareth Bryne heiraten und noch eine Tochter haben, sobald sie nur kann. Ich bin nicht wert, den Thron zu erhalten.«
    »Benimm dich nicht wie eine dumme Gans«, sagte Nynaeve schroff. »Denk daran, dass ich im Gepäck ein Päckchen Schafszungenwurzeln habe.« Elayne hielt den Kopf in beiden Händen. Nynaeves Schimpfen rief keine Reaktion hervor. »Hör mal, Mädchen! Hast du gesehen, dass ich dort geblieben bin und zwanzig oder dreißig Männer auf einmal bekämpft habe, ganz zu schweigen von den Aes Sedai? Hättest du gewartet, wärst du jetzt höchstwahrscheinlich auch eine Gefangene. Wenn sie dich nicht sogar umgebracht hätten. Aus irgendeinem Grund hatten sie nur an mir und Egwene Interesse. Vielleicht wäre es ihnen egal gewesen, ob du am Leben bleibst oder nicht.« Warum wollten sie gerade Egwene und mich? Warum gerade uns? Warum hat Liandrin so etwas getan? Warum? Sie konnte diese Fragen auch jetzt noch nicht beantworten.
    »Wenn ich bei dem Versuch, ihnen zu helfen, gestorben wäre …«, begann Elayne.
    »… dann wärst du tot. Dann könntest du auch niemandem mehr helfen, weder dir noch anderen. Jetzt steh endlich auf und klopf dir den Dreck vom Kleid.« Nynaeve kramte in ihrer Satteltasche nach einer Haarbürste. »Und bring dein Haar in Ordnung.«
    Elayne stand langsam auf und nahm die Bürste mit einem kleinen Lächeln entgegen. »Du hörst dich an wie Lini, meine alte

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