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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Fenster. Vor Kälte zitternd wälzte er sich auf der Matratze hin und her, versuchte, eine bequemere Stellung zu finden, und fragte sich, ob er nicht doch lieber die Flagge zum Zudecken benützen sollte. Vor allem aber überlegte er, ob er wirklich nach Falme reiten sollte.
    Er wälzte sich wieder herum, und da stand Ba’alzamon mit der reinweißen Stoffbahn des Drachenbanners in der Hand neben dem Stuhl. Dort erschien ihm das Zimmer dunkler, als stünde Ba’alzamon am Rand einer Wolke ölig-schwarzen Qualms. Beinahe verheilte Brandnarben überzogen sein Gesicht, und während Rand ihn beobachtete, verschwanden für einen Augenblick seine Augen. Sie wurden durch endlose Feuerhöhlen ersetzt. Rands Satteltaschen lagen am Fußende des Betts, die Schnallen geöffnet und die Laschen aufgeklappt, wo das Banner verborgen gewesen war.
    »Der Zeitpunkt nähert sich, Lews Therin. Tausend Fäden spannen sich, und bald bist du gebunden und dazu verurteilt, einen Weg zu gehen, den du nicht ändern kannst. Wahnsinn. Tod. Wirst du noch einmal, bevor du stirbst, alles töten, was du liebst?«
    Rand blickte zur Tür, aber dann setzte er sich lediglich im Bett auf. Was würde es schon bringen, vor dem Dunklen König wegzulaufen? Seine Kehle war rau wie Sandpapier. »Ich bin nicht der Drache, Vater der Lügen!«, sagte er heiser.
    Die Dunkelheit hinter Ba’alzamon quoll hoch, und Feueröfen tosten auf, als Ba’alzamon lachte. »Du ehrst mich. Und setzt dich selbst in meinen Augen herab. Ich habe dir tausend Mal gegenübergestanden. Tausend mal tausend Mal. Ich kenne dich bis auf den tiefsten Grund deiner erbärmlichen Seele, Lews Therin Brudermörder.« Er lachte wieder. Rand hielt sich eine Hand vors Gesicht, um von der Hitze aus diesem feurigen Mund nicht versengt zu werden.
    »Was willst du? Ich werde dir nicht dienen. Ich werde nichts tun, was du willst. Lieber würde ich sterben!«
    »Du wirst sterben, Wurm! Wie viele Male bist du im Laufe der Zeitalter gestorben, Narr, und was hat dir das gebracht? Das Grab ist kalt und einsam, bis auf die Würmer. Das Grab gehört mir. Diesmal wird es für dich keine Wiedergeburt geben. Diesmal wird das Rad der Zeit zerbrochen und die Welt im Schatten neu geschaffen. Diesmal stirbst du für immer! Was wählst du? Den ewigen Tod? Oder das ewige Leben – und die Macht?«
    Rand bemerkte kaum, dass er aufgesprungen war. Das Nichts hatte sich um ihn gehüllt, Saidin war da, und die Eine Macht durchströmte ihn. Diese Tatsache ließ die Leere beinahe wieder zerplatzen. War das alles wirklich? War es ein Traum? Konnte er im Traum die Macht benützen? Aber der Strom, der ihn durchfloss, schwemmte seine Zweifel hinweg. Er schleuderte sie Ba’alzamon entgegen, die reine, unverwässerte Eine Macht, die Kraft, von der das Rad der Zeit angetrieben wurde, eine Kraft, die den Ozean dazu bringen konnte, zu verbrennen und die Berge dabei zu verschlingen.
    Ba’alzamon trat einen halben Schritt zurück und hielt die Flagge schützend vor sich. Flammen loderten in seinen weit aufgerissenen Augen und seinem Mund, und die Dunkelheit schien ihn in Schatten zu hüllen. In den einen Schatten. Die Macht sank in diesen schwarzen Dunst ein und versickerte wie Wasser in ausgetrocknetem Sand.
    Rand saugte Saidin auf, zog mehr Macht an sich und immer noch mehr. Sein Fleisch schien so kalt, dass es bei einer Berührung zersplittern musste, und es brannte, als wolle es verkochen. Seine Knochen mussten jeden Moment zu klirrend kalter Kristallasche zerfallen. Es war ihm gleich; er fühlte sich, als trinke er das Leben selbst.
    »Narr!«, brüllte Ba’alzamon. »Du wirst dich selbst zerstören!«
    Mat. Der Gedanke schwamm irgendwo jenseits der alles verschlingenden Flut herum. Der Dolch. Das Horn. Fain. Emondsfelde. Ich kann noch nicht sterben. Er war sich nicht sicher, wie er es schaffte, doch plötzlich war die Macht verschwunden, ebenso wie Saidin und das Nichts. Er zitterte heftig und fiel neben dem Bett auf die Knie. Er umschlang sich mit den Armen, um das Zucken zu unterdrücken. Vergebens.
    »So ist es besser, Lews Therin.« Ba’alzamon warf die Flagge zu Boden und packte die Stuhllehne mit beiden Händen. Zwischen seinen Fingern quollen Rauchfäden empor. Der Schatten schien ihn nicht mehr zu umgeben. »Hier ist dein Banner, Brudermörder. Es wird dir nicht helfen. Tausend Fäden, durch tausend Jahre hindurch ausgelegt, haben dich hierher gezogen. Zehntausend, die im Laufe der Zeitalter gewoben wurden, binden dich

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