Die Jagd beginnt
forcieren und dann wieder. Seine starken Gelenke und seine Leichtfüßigkeit hielten Rand genauso am Leben wie sein Können. Ohne das Nichts war er immer einen halben Herzschlag zu langsam. Die Spitze von Turaks schwerem Schwert ritzte ihn unter dem linken Auge. Der Schmerz biss. Ein Fetzen des Mantelärmels hing ihm von der Schulter, dunkel und nass. Aus einem sauberen Schnitt, mit der Genauigkeit eines Schneiders angebracht, fühlte er warme Feuchtigkeit über den Brustkorb rinnen. Auf dem Gesicht des Hochlords stand Enttäuschung geschrieben. Er trat mit einer verächtlichen Geste zurück. »Wo hast du diese Klinge gefunden, Junge? Oder verleihen sie hier etwa jemandem den Reiher, der nicht mehr kann als du? Spielt keine Rolle. Schließ mit dem Leben ab. Es ist Zeit zu sterben.« Er griff wieder an.
Das Nichts hüllte Rand ein. Saidin strömte auf ihn zu und erglühte mit dem Versprechen der Einen Macht, doch er achtete nicht darauf. Es war auch nicht schwieriger, als eine Pfeilspitze mit Widerhaken zu übersehen, die sich in sein Fleisch bohrte. Er weigerte sich, die Macht durch seinen Körper strömen zu lassen, eins zu werden mit der männlichen Hälfte der Wahren Quelle. Er war eins mit dem Schwert in seiner Hand, eins mit dem Boden unter seinen Füßen, eins mit den Wänden. Eins mit Turak.
Er erkannte die Fechtfiguren, die der Hochlord anwandte. Sie unterschieden sich ein wenig von denen, die er gelernt hatte, aber es reichte. Der Flug der Schwalbe traf auf Die Seide zur Seite schieben . Mond auf den Wassern traf auf Das Moorhuhn tanzt . Das Band flattert im Wind traf auf Steine fallen von der Klippe . Sie bewegten sich wie im Tanz durch den Raum, und ihre Musik war der Klang von Stahl auf Stahl.
Enttäuschung und Verachtung verschwanden aus Turaks Blick, wurden von Überraschung abgelöst – und dann durch Konzentration. Schweiß rann dem Hochlord über das Gesicht, als er Rand noch entschlossener angriff. Der dreizackige Blitz traf auf Blatt im Wind.
Rands Gedanken schwebten außerhalb des Nichts, von ihm losgelöst und kaum bemerkt. Es reichte nicht. Er stand einem Schwertmeister gegenüber, und trotz des Nichts und aller seiner Fähigkeiten brachte er es kaum fertig, sich der Angriffe Turaks zu erwehren. Kaum. Er musste den Kampf beenden, bevor Turak es tat. Saidin? Nein! Manchmal ist es notwendig, das Schwert im eigenen Fleisch zu bergen. Aber das half Egwene auch nicht. Er musste dem ein Ende bereiten. Jetzt.
Turaks Augen weiteten sich, als nun Rand seinerseits vorwärtsglitt. Bisher hatte er sich nur verteidigt; jetzt griff er mit aller Kraft an. Der Keiler stürmt bergab . Jede Bewegung der Klinge war ein Versuch, den Körper des Hochlords zu erreichen. Nun konnte sich Turak nur noch zurückziehen und parieren, durch den ganzen Raum, fast bis zur Tür.
In einem winzigen Sekundenbruchteil, als Turak noch den Keiler parierte, wechselte Rand zu einer anderen Figur. Der Fluss unterspült das Ufer . Er fiel auf ein Knie nieder, und die Klinge schnitt quer von unten her. Er musste Turaks Keuchen nicht hören oder den Widerstand an der Klinge spüren, um es zu wissen. Er hörte zwei dumpfe Schläge und wandte den Kopf, wohl wissend, was er sehen würde. Er blickte an seiner Klinge entlang, die rot und feucht vor ihm erglänzte, dorthin, wo der Hochlord lag. Das Schwert war ihm aus der schlaffen Hand gefallen, und dunkelrote Feuchtigkeit befleckte die geknüpften Vögel auf dem Teppich unter seinem Körper. Turaks Augen waren noch offen, doch bereits vom milchigen Schimmer des Todes überzogen.
Das Nichts bebte. Er hatte zuvor schon Trollocs gegenübergestanden und die Abkömmlinge des Schattens besiegt. Doch noch nie hatte er gegen einen Mann mit einem Schwert kämpfen müssen, außer beim Üben oder im Scheinkampf. Ich habe soeben einen Mann getötet. Das Nichts bebte, und Saidin versuchte, ihn zu erfüllen.
Verzweifelt riss er sich los und atmete schwer. Er sah sich um. Überrascht bemerkte er, dass die beiden Diener immer noch neben der Tür knieten. Er hatte sie vergessen, und nun wusste er nicht, was er mit ihnen anfangen sollte. Beide schienen unbewaffnet, und doch brauchten sie nur zu schreien …
Sie sahen weder ihn noch sich gegenseitig an. Stattdessen betrachteten sie still den Leichnam des Hochlords. Dann zogen sie aus ihrer Kleidung Dolche hervor, und er packte den Schwertgriff fester, doch jeder Mann richtete die Spitze seines Dolchs gegen sich selbst. »Von Geburt bis zum Tod«,
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