Die Jagd beginnt
wusste Nynaeve, dass es Egwene war.
Ein Band glitzernden Metalls zog sich von dem Silberhalsband, das Egwene trug, zu einem Armband, das an einem Haken an der Wand hing. Sie riss bei ihrem Anblick die Augen auf, und ihr Mund bewegte sich, ohne Worte hervorzubringen. Als Elayne die Tür schloss, kicherte Egwene plötzlich und drückte die Hand vor den Mund, um den Laut zu unterdrücken. Das winzige Zimmer war überfüllt.
»Ich weiß, dass ich nicht träume«, sagte sie mit bebender Stimme, »denn wenn ich träumte, kämen jetzt Rand und Galad auf stolzen Pferden hereingeritten. Ich habe geträumt. Ich glaubte, Rand sei hier. Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich glaubte …« Ihre Stimme erstarb.
»Nun, wenn du lieber auf ihn warten willst …«, sagte Min trocken.
»O nein. Nein, ihr seid alle wunderschön, das Schönste, was ich jemals gesehen habe. Woher seid ihr gekommen? Wie habt ihr das geschafft? Dieses Kleid, Nynaeve, und der A’dam , und wer ist …« Plötzlich quiekte sie erschreckt. »Das ist Seta! Wie …?« Ihre Stimme verhärtete sich so, dass Nynaeve sie kaum noch erkannte. »Ich würde sie gern in einen Kessel mit kochendem Wasser stecken.« Seta drückte die Augen zu und verkrampfte die Hände im Rock. Sie zitterte.
»Was haben sie mit dir gemacht?«, rief Elayne. »Was haben sie gemacht, dass du jemandem so etwas wünschst?«
Egwene wandte den Blick nicht von der Seanchanerin. »Ich möchte, dass sie es fühlt. Das hat sie mir angetan, hat mir das Gefühl aufgezwungen, ich stecke bis zum Hals in …« Sie schauderte. »Du weißt nicht, wie es ist, eins von diesen … Dingern … zu tragen, Elayne. Du weißt nicht, was sie dir damit antun können. Ich kann nicht entscheiden, welche schlimmer ist, Seta oder Renna, aber sie sind mir alle verhasst.«
»Ich glaube, ich weiß, wie das ist«, sagte Nynaeve ruhig. Sie spürte den Schweiß auf Setas Haut und die kalten Schauder, die sie überliefen. Die blonde Seanchanerin hatte furchtbare Angst. Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, Setas Ängste nicht auf der Stelle in Wirklichkeit zu verwandeln.
»Könnt ihr mir das abnehmen?«, fragte Egwene. Sie berührte ihr Halsband. »Es muss doch möglich sein, nachdem ihr Seta das angelegt habt …«
Nynaeve lenkte wieder nur ein ganz klein wenig der Macht gezielt auf Egwenes Halsband. Allein die Tatsache, dass Egwene so etwas tragen musste, machte sie bereits wütend genug, und dazu kamen Setas Angst, die deutlich bewies, dass sie eine Bestrafung verdient hatte, und ihr eigenes Verlangen, dieser Frau etwas anzutun. Das Halsband öffnete sich und fiel von Egwene ab. Staunend berührte Egwene ihren Hals.
»Zieh mein Kleid und meinen Mantel an«, befahl ihr Nynaeve. Elayne entfaltete bereits das Kleiderbündel auf dem Bett. »Wir verlassen das Haus, ohne dass dich jemand bemerkt.« Sie überlegte, ob sie den Kontakt mit Saidar halten sollte. Sie war wütend genug, und es war ein so schönes Gefühl. Doch zögernd unterbrach sie die Verbindung. Dies war wohl der einzige Ort in Falme, wo sich keine Sul’dam und keine Damane darum kümmern würden, wenn jemand die Macht benützte, aber es wäre trotzdem gefährlich, wenn sie das Glühen der Macht an einer Frau bemerkten, die sie für eine Sul’dam hielten. »Ich weiß gar nicht, warum du nicht längst weg bist. Allein hier oben kannst du doch das Ding einfach aufheben und wegrennen, selbst wenn du es nicht öffnen kannst.«
Während Min und Elayne ihr halfen, sich rasch umzuziehen und Nynaeves altes Kleid anzulegen, erklärte Egwene, dass es unmöglich sei, das Armband von der Stelle zu entfernen, wo es die Sul’dam hingelegt hatte und wie ihr schlecht wurde, wenn sie die Macht gebrauchte, obwohl keine Sul’dam das Armband trug. Erst an diesem Morgen hatte sie herausgefunden, wie man das Halsband ohne die Hilfe der Macht öffnen konnte, aber es nützte ihr nichts, denn das Berühren des Verschlusses mit der Absicht, ihn zu öffnen, verkrampfte ihre Hand zu einem nutzlosen Knoten. Sie konnte den Verschluss berühren, so lange sie wollte, durfte dabei aber nicht daran denken, ihn zu öffnen; die leiseste Andeutung dieser Absicht, und …
Nynaeve war es auch schlecht. Das Armband an ihrem Unterarm machte sie krank. Es war einfach zu furchtbar. Sie wollte es loswerden, bevor sie noch mehr über das A’dam erfuhr, bevor ihr vielleicht etwas klar wurde und sie sich daraufhin für immer und ewig beschmutzt vorkäme.
Sie löste den silbernen Reif,
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