Die Jagd beginnt
Nebel. Zuerst hingen nur feine Nebelfäden in der Luft, dann größere Schwaden und immer größere, bis das Land wie mit Wolken bedeckt war.
Geofram Bornhald versteifte sich im Sattel, als ein Ton die Luft erfüllte, so süß, dass er lachen wollte, und so traurig, dass er fast geweint hätte. Er schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen. Ein feiner Dunst erhob sich und schwoll vor seinen Augen an.
Die Seanchan er. Sie versuchen irgendetwas. Sie wissen, dass wir hier sind. Es war zu früh, die Stadt lag noch zu weit entfernt, aber er zog sein Schwert. Ein Klappern erklang die lange Reihe der Soldaten entlang, als die Schwerter aus den Scheiden fuhren. Er rief: »Die Legion rückt im Trab vor!«
Nun deckte der Nebel alles zu, doch er wusste, dass Falme immer noch vor ihm lag. Die Pferde trabten schneller. Er sah sie zwar nicht, dafür hörte er sie.
Plötzlich bäumte sich der Boden vor ihm donnernd auf und überschüttete ihn mit Erdbrocken und Steinchen. Aus der weißen Blindheit zu seiner Rechten erklang ein weiteres Donnern. Pferde wieherten wild, und Männer schrien. Dann dasselbe zu seiner Linken, dann erneut. Und noch einmal. Donner und Schreie, alles im Nebel verborgen.
»Die Legion greift an!« Sein Pferd sprang unter dem Druck seiner Fersen vorwärts, und er hörte den Aufschrei seiner Legion. Alles, was noch lebte, folgte ihm.
Donner und Schreie, in Weiß gehüllt.
Sein letzter bewusster Gedanke drückte Bedauern aus. Byar würde seinem Sohn Dain nicht berichten können, wie er gestorben war.
Rand erkannte nicht einmal mehr die Bäume auf dem Hügel. Mat hatte das Horn mit ehrfürchtigem Blick abgesetzt, doch Rand hatte den Klang immer noch im Ohr. Der Nebel verbarg alles in wehenden Schwaden, so weiß wie die feinste gebleichte Wolle, aber trotzdem sah Rand. Er sah, doch was er sah, war heller Wahnsinn. Falme schwebte irgendwo unter ihm. Am Stadtrand zum Landesinneren zu war alles schwarz von Soldaten der Seanchaner. Blitze durchzuckten Falmes Straßen. Falme hing über seinem Kopf. Dort griffen Weißmäntel an und starben, als sich die Erde feuerspeiend unter den Hufen ihrer Pferde auftat. Männer rannten über die Decks großer eckiger Schiffe im Hafen, und auf einem Schiff, das ihm sehr bekannt vorkam, warteten verängstigte Männer. Er erkannte sogar das Gesicht des Kapitäns. Bayle Domon. Er schlug die Hände vor das Gesicht. Die Bäume lagen im Verborgenen, aber die anderen erkannte er trotzdem ganz deutlich. Hurin: nervös. Mat: in Selbstgespräche vertieft, verängstigt. Perrin, der wirkte, als habe er alles das vorausgesehen. Der Nebel wallte um sie herum.
Hurin keuchte: »Lord Rand!« Er hätte nicht erst mit dem Finger deuten müssen.
Über die Nebelschwaden hinweg, als seien sie der Abhang eines Berges, ritten dunkle Gestalten. Zuerst verbarg der dichte Nebel die Einzelheiten, aber sie kamen langsam näher, und nun war es an Rand, nach Luft zu schnappen. Er erkannte sie. Männer, nicht alle von ihnen gerüstet, und Frauen. Ihre Kleidung und ihre Waffen stammten aus allen Zeitaltern, aber er kannte sie alle.
Rogosch Adlerauge, ein väterlich wirkender Mann mit weißem Haar und so scharfem Blick, dass sein Name noch weit untertrieben schien. Gaidal Cain, ein dunkelhäutiger Mann, über dessen breite Schultern die Griffe zweier Schwerter ragten. Die goldhaarige Birgitte mit ihrem schimmernden Silberbogen und dem Köcher, der vor silbernen Pfeilen überquoll. Weitere. Er kannte ihre Gesichter, kannte ihre Namen. Doch als er einen nach dem anderen anblickte, hörte er hundert Namen bei jedem, einige davon so fremdartig, dass er sie nicht mehr als Namen erkannte. Aber er wusste, wer sie waren. Michael statt Mikel. Patrick statt Paedrig. Oscar statt Otarin.
Er kannte auch den Mann, der an ihrer Spitze ritt: hoch gewachsen, mit einer Hakennase, dunklen tief liegenden Augen und mit dem großen Schwert namens Gerechtigkeit an der Seite: Artur Falkenflügel.
Mat starrte sie mit offenem Mund an, als sie ihre Pferde vor ihm und den anderen anhielten. »Sind das …? Seid Ihr alle?« Es waren wenig mehr als hundert, wie Rand sah, und es wurde ihm bewusst, dass er auch nicht mehr erwartet hatte. Hurin stand der Mund ebenfalls offen, und die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf.
»Es ist mehr als nur Mut nötig, um einen Mann an das Horn zu binden.« Artur Falkenflügels Stimme war tief und hallend, eine Stimme, die es gewohnt war, Befehle zu erteilen.
»Oder eine Frau«, sagte Birgitte
Weitere Kostenlose Bücher