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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Scherengitter geschlagen, dann war er die Treppe wieder hinaufgerannt, um die Schilder noch einmal zu lesen, weil er dachte, er habe vielleicht den falschen Eingang genommen. Es war der richtige gewesen. Er hatte nach einer Uhr Ausschau gehalten. Vielleicht war die Verschiebung größer gewesen, als die Überprüfungen außer Betrieb. Aber die Uhr über dem Eingang zeigte neun Uhr fünfzehn.
    »Unfall«, sagte ein heruntergekommen aussehender Mann mit einer schmierigen Mütze. »Sie haben dichtgemacht, damit sie aufräumen können.«
    »Aber ich muß die Linie nach Bakerloo nehmen«, stammelte er. Der Mann schlurfte davon.
    Er stand da, starrte den dunklen Stationseingang an und wußte nicht, was er tun sollte. Für ein Taxi reichte das mitgebrachte Geld nicht und Paddington war weit entfernt. Er würde den 10:48 Uhr-Zug nie erreichen.
    »Wo willst’n hin, Alter?« fragte ihn ein junger Mann in einer schwarzen Lederjacke, das grüne Haar wie ein Hahnenkamm aufgestellt. Dunworthy mußte sich erst besinnen, mit wem er es zu tun hatte. Ein Punker, dachte er. Der junge Mann schob sich drohend näher.
    »Paddington«, sagte er, und es kam als ein jämmerliches Quäken heraus.
    Der Punker griff in seine Jackentasche, um, wie Dunworthy vermutete, sein Klappmesser zu ziehen, brachte statt dessen aber eine laminierte U-Bahn-Monatskarte zum Vorschein und studierte den Streckenplan auf der Rückseite.
    »Kannst die Ringlinie vom Themsekai nehmen«, sagte er. »Die Craven Street runter und dann links.«
    Er war die ganze Strecke gerannt, überzeugt, daß die Bande des Punkers ihn aus einer Durchfahrt oder einem Hauseingang anfallen und ihm das echte historische Geld abnehmen würde, und als er zur Station Themsekai gekommen war, hatte er nicht gewußt, wie er den Fahrkartenautomaten bedienen sollte.
    Eine Frau mit zwei Kleinkindern hatte ihm gezeigt, wie man den Zielort drückte, den angezeigten Betrag einwarf und dann die ausgegebene Fahrkarte richtig herum in den Schlitz steckte. So war er nicht nur rechtzeitig zum Bahnhof Paddington gekommen, sondern hatte noch Zeit übrig gehabt.
    Kivrin hatte ihn gefragt, ob es denn keine netten Leute im Mittelalter gebe, und natürlich mußte es welche geben. Junge Männer mit Klappmessern und Streckenplänen der U-Bahn hatte es zu allen Zeiten gegeben. Auch Mütter mit Kleinkindern und Latimers und Mrs. Gaddsons. Und Gilchrists.
    Er wälzte sich auf die andere Seite. Sie wird ohne weiteres zurechtkommen, sagte er sich. Das Mittelalter ist für eine tüchtige, entschlossene und umsichtige Person wie sie kein Problem. Meine beste Schülerin. Er zog sich die Decke über die Schulter und schloß die Augen, dachte an den jungen Mann mit der grünen Irokesenfrisur, wie er sich über den Streckenplan gebeugt hatte. Aber das Bild, das vor sein inneres Auge trat, war das des Scherengitters zwischen ihm und den Drehkreuzen, und der im Dunkeln liegenden Station dahinter.

 
    ABSCHRIFT AUS DEM DOOMSDAY BOOK
(015104-016615)
     
    19. Dezember 1320 (alter Zeitrechnung). Ich fühle mich besser und kann schon drei oder vier vorsichtige Atemzüge hintereinander tun, ohne zu husten, und heute früh war ich wirklich hungrig, wenn auch nicht nach der fettigen Hafergrütze, die Maisry mir brachte. Für einen Teller Spiegeleier auf Speck könnte ich jemanden umbringen.
    Und für ein Bad. Ich bin völlig verdreckt. Außer meiner Stirn ist seit meiner Ankunft nichts gewaschen worden, und die beiden letzten Tage hat Frau Imeyne mir Umschläge aus Leinenstreifen, die mit einem abscheulich riechenden Brei bedeckt waren, auf die Brust geklebt. Diese Umschläge, meine Ungewaschenheit, die wiederkehrenden Schweißausbrüche und das Bettzeug (das seit dem 13. Jahrhundert nicht gewechselt worden ist) – alles vermischt sich zu einem abscheulichen Gestank, und mein Haar, so kurz es ist, krabbelt nur so von Läusen. Dabei bin ich hier noch die sauberste Person.
    Dr. Ahrens hatte recht mit ihrem Vorschlag, meine Nase zu kauterisieren. Alle, sogar die kleinen Mädchen, riechen fürchterlich, und das bei Eiseskälte mitten im Winter. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es erst im August sein muß. Alle haben Flöhe und Läuse. Frau Imeyne bricht sogar mitten im Gebet ab, um sich zu kratzen, und als Agnes den Rocksaum hob, um mir das Knie zu zeigen, war das ganze Bein mir roten Bissen bedeckt.
    Eliwys, Imeyne und Rosemund haben vergleichsweise saubere Gesichter, aber sie waschen sich nicht die Hände, auch nicht nach dem

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