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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Entleeren des Nachttopfes, und die Vorstellung, den Wollabfall in den Kissen und die Füllungen der Strohsäcke auszuwechseln, muß erst noch den Weg in die Gehirne finden. Von Rechts wegen müßten sie alle längst an Infektionen gestorben sein, doch außer Skorbut und vielen schlechten Zähnen scheinen alle bei guter Gesundheit zu sein. Sogar Agnes’ Knie heilt sehr schön. Jeden Tag kommt sie, mir die Kruste zu zeigen. Und ihre silberne Schnalle, und den hölzernen Ritter, und den armen, übermäßig geliebten Blackie.
    Sie ist ein Schatzkästlein von Information, und das meiste gibt sie von sich aus zum besten, ohne daß ich danach frage. Rosemund ist »in ihrem dreizehnten Jahr«, was bedeutet, daß sie zwölf ist, und der Raum, wo sie mich untergebracht haben und pflegen, ist ihr Damengemach. Es ist schwer vorstellbar, daß sie im heiratsfähigen Alter ist und so ein privates Gemach hat, aber im Mittelalter wurden Mädchen oft mit dreizehn und vierzehn verheiratet. Eliwys kann kaum älter gewesen sein, als sie heiratete. Agnes verriet mir auch, daß sie drei ältere Brüder hat, die alle bei ihrem Vater in Bath sind.
    Die Glocke im Südwesten ist Swindone. Agnes kann alle Glocken nach ihrem Klang bestimmen. Die entfernte Glocke, die immer zuerst läutet, ist die von Osney, die zwei Glocken sind in Courcy, wo Sir Bloet wohnt, und die beiden nächsten sind Witenie und Esthcote. Das heißt, daß ich nahe bei Skendgate bin, daß dieser Ort sehr gut Skendgate sein kann. Er hat die Eschenbäume, ist ungefähr von der richtigen Größe, und die Kirche steht an der richtigen Stelle. Die Kirche der Ausgrabung hatte keinen Glockenturm, aber vielleicht hat Mrs. Montoya seine Fundamentreste einfach noch nicht gefunden. Unglücklicherweise ist der Name des Dorfes der eine Punkt, über den Agnes mir nichts sagen kann.
    Sie wußte aber, wo Gawyn war. Sie sagte mir, er sei ausgeritten, um meine Angreifer zu jagen. »Und wenn er sie findet, wird er sie mit seinem Schwert erschlagen. So«, sagte sie und demonstrierte es mit Blackie. Natürlich bin ich nicht sicher, daß ihre Auskünfte immer verläßlich sind. Sie erzählte mir, König Eduard sei in Frankreich, und daß Pater Roche den Teufel gesehen habe, ganz in Schwarz gekleidet und auf einem Rappenhengst.
    Dieses letztere ist möglich. (Daß Pater Roche ihr das erzählt hat, nicht daß er den Teufel sah.) Die Grenze zwischen der geistigen und der physikalischen Welt erfuhr erst in der Renaissance eine genaue Festlegung, und die Zeitgenossen hatten ständig Visionen von Engeln, dem Jüngsten Gericht, der Jungfrau Maria.
    Frau Imeyne beklagt bei jeder Gelegenheit die Unwissenheit, das Analphabetentum und die Unfähigkeit Pater Roches. Nach wie vor versucht sie Eliwys zu überzeugen, daß Gawyn nach Osney geschickt werden muß, um einen Mönch zu holen.
    Als ich sie fragte, ob sie nach ihm schicken würde, damit er mit mir beten könne (Ich fand, daß diese Frage nicht als unziemlich oder frech betrachtet werden könne), hielt sie mir einen halbstündigen Vortrag über die Unzulänglichkeiten des Dorfpfarrers: wie er einen Teil der Epistel vergessen habe, die Altarkerzen, statt sie am brennenden Docht auszudrücken, auszublasen pflege, wobei »viel Wachs vergeudet« werde, und die Köpfe der Knechte und Mägde mit abergläubischem Geschwätz fülle (zweifellos über den Teufel und sein Pferd).
    Mittelalterliche Dorfpfarrer waren Bauern, denen die Messe durch bloße Übung und Auswendiglernen der lateinischen Liturgie vertraut gemacht worden war. Für mich riechen sie alle gleich, aber der Adel betrachtete seine Diener und leibeigenen Bauern als Menschen einer völlig anderen Art, und ich bin überzeugt, daß der tiefere Grund von Imeynes Mißvergnügen ihre Abneigung ist, vor diesem gesellschaftlich unter ihr stehenden »Schelm« die Beichte abzulegen.
    Er ist sicherlich abergläubisch und analphabetisch wie sie behauptet. Aber er ist nicht unfähig. Er hielt mir die Hand und tröstete mich, als ich im Sterben lag. Er sagte mir, es sei nichts zu fürchten. Und ich fürchtete mich nicht.
     
    (Unterbrechung)
     
    Mein Befinden bessert sich geradezu sprunghaft. Heute nachmittag saß ich eine halbe Stunde aufrecht, und heute abend ging ich zum Essen hinunter. Eliwys brachte mir einen braunen Frauenrock aus grober Wolle, einen senffarbenen Überrock und eine Art Kopftuch, um mein abgeschnittenes Haar zu bedecken (keine Haube mit Schleier, also muß sie mich noch immer für eine

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