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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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habe die Absicht, es zu tun«, sagte der Vikar. »Ihre Lesung folgt unmittelbar auf die Schellenläuter. Der Text ist geändert worden. Wieder die Kirche des Tausendjährigen Reiches. Lukas 2.1 bis 19.« Er ging weiter, seine Gesangbücher zu verteilen.
    »Wo ist Ihre Studentin, Kivrin Engle?« fragte der Priester. »Ich vermißte sie in der lateinischen Messe.«
    »Sie ist im Jahr 1320, hoffentlich im Dorf Skendgate und hoffentlich nicht draußen im Regen.«
    »Ah, gut«, sagte der Priester. »Sie wünschte es sich so sehnlich. Und welch ein Glück, daß ihr dies alles erspart bleibt.«
    »Ja«, sagte Dunworthy. »Bitte entschuldigen Sie mich, ich denke, ich sollte meinen Text wenigstens einmal überfliegen, bevor ich ihn vorlese.«
    Er betrat das Kirchenschiff. Hier war es noch wärmer, und die Luft roch stark nach feuchter Wolle und feuchtem Stein. Kerzen flackerten matt in den Fenstern und auf dem Altar. Die Schellenläuter stellten vor der Kommunionbank zwei große Tische auf und bedeckten sie mit schwerem, rotem Wollstoff. Dunworthy trat ans Lesepult und schlug die angegebene Textstelle des Lukasevangeliums auf.
    »In jenen Tagen erging ein Erlaß des Kaisers Augustus, daß das ganze Land geschätzt werde.« Die von Jakob I. veranlaßte englische Bibelübersetzung ist archaisch, dachte er. Und wo Kivrin ist, wird man sie erst in zweihundertfünfzig Jahren kennen.
    Er ging wieder in die Vorhalle hinaus zu Colin. Noch immer strömten Menschen herein. Der Priester der Heiligen Reformierten Kirche und der moslemische Imam gingen weitere Klappstühle holen, und der Vikar beschäftigte sich mit den Thermostaten der Heizungsanlage.
    »Ich habe uns zwei Sitze in der zweiten Reihe reserviert«, sagte Colin. »Wissen Sie, was Mrs. Gaddson beim Tee machte? Sie warf mein Kaubonbon weg. Sie sagte, es sei voller Krankheitskeime. Ich bin froh, daß meine Mutter nicht so ist.«
    Er ordnete seinen Stoß gefalteter Gottesdienstordnungen, der erheblich geschrumpft war. »Ich glaube, ihre Geschenke kamen wegen der Quarantäne nicht durch, wissen Sie. Ich meine, wahrscheinlich mußten Lebensmittel und Medikamente vordringlich befördert werden.«
    »Sehr wahrscheinlich«, sagte Dunworthy. »Wann möchtest du deine anderen Weihnachtspäckchen öffnen? Heute abend oder morgen früh?«
    Colin versuchte nonchalant auszusehen. »Am Weihnachtsmorgen, bitte.« Er beschenkte eine Dame in gelbem Regenumhang mit einer Gottesdienstordnung und einem blendenden Lächeln.
    »Na«, sagte sie und entriß ihm das Papier, »es freut mich zu sehen, daß jemand noch in Weihnachtsstimmung ist, obwohl wir von einer tödlichen Epidemie bedroht sind.«
    Dunworthy ging ins Kirchenschiff und setzte sich auf den freigehaltenen Platz. Die Bemühungen des Vikars mit den Thermostaten schienen nichts bewirkt zu haben. Er zog den Mantel aus, nahm den Schal ab und legte beides über den Stuhl neben sich.
    Letztes Jahr war es eiskalt gewesen. »Extrem authentisch«, hatte Kivrin ihm zugeflüstert, »und erst das Weihnachtsevangelium! ›Damals luden die Politiker den Steuerzahlern zur Veranlagung einen Marsch auf‹«, hatte sie die neuzeitliche Bibelübersetzung zitiert und grinsend hinzugefügt: »Im Mittelalter war die Bibel wenigstens in einer Sprache, die die Leute nicht verstanden.«
    Colin kam und setzte sich auf Dunworthys Mantel und Schal. Der Priester der Heiligen Reformierten Kirche zwängte sich an den Tischen der Schellenläuter vorbei zum Altar. »Lasset uns beten«, sagte er.
    Es gab ein allgemeines Geraschel von Kleidern und Knarren von Bänken, und alle knieten nieder.
    »O Gott, der uns diese Prüfung gesandt hat, sage zu Deinem Racheengel, halt ein und lasse das Land nicht veröden und vernichte nicht jede lebende Seele. Wie in jenen Tagen, als der Herr eine Pestilenz über Israel kommen ließ und von Dan bis Bersheba siebzigtausend Menschen starben, so sind auch wir heute vom Leid umgeben und flehen Dich an, nimm die Geißel Deines Zornes von dem Gläubigen.«
    Die Rohre der alten Heizungsanlage begannen dröhnend zu klappern, aber es schien den Priester nicht zu stören. Er fuhr gute fünf Minuten lang fort, eine Anzahl von Fällen aufzuzählen, in denen Gott die Ungerechten und Sündhaften geschlagen und »Seuchen über sie gebracht« habe, dann forderte er alle auf, sich zu erheben und »Gott hüte und beschütze uns, halt Not und Schrecken fern« zu singen.
    Montoya kam hereingeschlüpft und zwängte sich zwischen Dunworthy und Colin. »Ich

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