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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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eilte hinüber nach St. Mary; im plötzlich zunehmenden Regen lief er über den verlassenen Hof der Bodleian-Bibliothek und suchte die überfließenden Rinnsteine zu umgehen.
    Kein vernünftiger Mensch würde bei diesem Wetter hinausgehen. Voriges Jahr war die Kirche bei trockener Witterung nur halb voll gewesen. Kivrin hatte ihn begleitet. Sie war über die Ferien dageblieben, um ihre Studien fortzusetzen, und er hatte sie in der Boldeian gefunden und darauf bestanden, daß sie zu seinem Sherry-Empfang komme und dann mit ihm in die Kirche gehe. »Ich sollte das nicht tun«, hatte sie ihm unterwegs anvertraut. »Ich sollte an meiner Arbeit sitzen.«
    »Das können Sie in St. Mary tun. 1139 erbaut und alles noch genauso wie es im Mittelalter war, einschließlich der Heizungsanlagen.«
    »Der ökumenische Gottesdienst ist auch authentisch, nehme ich an«, hatte sie gesagt.
    »Ich zweifle nicht daran, daß er im Geist so wohlmeinend und mit Torheit befrachtet ist wie jede mittelalterliche Messe«, hatte er gesagt.
    Er eilte den schmalen Weg entlang und öffnete die Tür zu St. Mary, wo ihm warme Luft entgegenschlug. Sofort beschlug sich seine Brille. Er blieb in der Vorhalle stehen und wischte die Gläser mit dem Schal trocken, aber sie waren kalt und beschlugen sich gleich wieder.
    »Der Vikar sucht Sie«, sagte Colin. Er trug ein Hemd und eine Jacke, und sein Haar war gekämmt. Von einem Stoß, den er in den Händen hielt, gab er Dunworthy eine Gottesdienstordnung.
    »Ich dachte, du wolltest zu Haus bleiben«, sagte Dunworthy.
    »Mit Mrs. Gaddson? Was für ein nekrotischer Gedanke! Da ist sogar die Kirche besser, deshalb sagte ich Mrs. Taylor, daß ich ihr helfen würde, die Glocken herüberzutragen.«
    »Und der Vikar gab dir Arbeit«, sagte Dunworthy, noch bemüht, seine Brillengläser zu putzen. »Bist du schon welche von den Dingern losgeworden?«
    »Machen Sie Witze? Die Kirche ist gerammelt voll.«
    Dunworthy spähte ins Kirchenschiff. Tatsächlich waren die Bänke bereits voll besetzt. Dahinter und an den Seiten wurden für die Stehenden Klappstühle aufgestellt.
    Der Vikar kam geschäftig mit einem Armvoll Gesangbüchern herbeigeeilt. »Ach wie gut, daß Sie da sind. Leider ist es etwas heiß hier. Das liegt an der Heizungsanlage. Das Amt für Denkmalpflege läßt nicht zu, daß wir eine neue Warmluftheizung einbauen, dabei ist es fast unmöglich, Ersatzteile für eine Heizungsanlage aufzutreiben, die mit fossilen Brennstoffen arbeitet. Im Moment ist es der Thermostat, der defekt ist. Die Heizung ist entweder an, und dann voll, oder aus.« Er zog zwei Zettel aus seiner Soutane und warf einen prüfenden Blick darauf. »Sie haben Mr. Latimer noch nicht gesehen, oder? Er sollte das Dankgebet lesen.«
    »Nein«, sagte Dunworthy. »Aber ich erinnerte ihn an die Zeit.«
    »Ja, nun, letztes Jahr brachte er die Dinge durcheinander und kam eine Stunde zu früh.« Er händigte Dunworthy einen der Zettel aus. »Das ist Ihr Text. Er ist dieses Jahr dem Buch der Könige entnommen. Die Kirche des Tausendjährigen Reiches bestand darauf, aber wenigstens ist es nicht aus dem anglikanischen Gebetbuch wie letztes Jahr. Das Buch der Könige mag archaisch sein, aber wenigstens ist es nicht kriminell.«
    Die äußere Tür wurde geöffnet, und eine Gruppe von Leuten, alle damit beschäftigt, Schirme zusammenzuklappen und Hüte abzuschütteln, kam herein, wurde von Colin versorgt und ging weiter ins Kirchenschiff.
    »Ich dachte mir gleich, daß wir hätten die Christ Church nehmen sollen«, sagte der Vikar.
    »Was wollen sie alle hier?« fragte Dunworthy. »Begreifen sie nicht, daß wir uns mitten in einer Epidemie befinden?«
    »Es ist immer so«, sagte der Vikar. »Ich erinnere mich an den Beginn der letzten großen Epidemie. Die größte Kollekte, die wir jemals eingenommen haben. Später bringen Sie die Leute nicht mehr aus ihren Häusern, aber jetzt suchen sie Trost in der Gemeinschaft.«
    »Und es ist aufregend«, sagte der eben hinzugekommene Priester der Heiligen Reformierten. Er trug einen schwarzen Rollkragenpullover, Hosen und ein Chorhemd aus rotem und grünem Plaid. »In Kriegszeiten sieht man die gleiche Erscheinung. Gefahr und Angst stärken den Glauben, und die Leute flüchten sich in die Gemeinschaft. Aber sie kommen auch wegen der Dramatik des Geschehens.«
    »Und verbreiten die Infektion doppelt so schnell, sollte ich meinen«, sagte Dunworthy. »Hat ihnen niemand gesagt, daß das Virus ansteckend ist?«
    »Ich

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