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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Vikar begann mit seiner Predigt.
    »Es gibt jene«, sagte er mit einem scharfen Blick zum Priester der Heiligen Reformierten Kirche, »die Krankheiten für eine Strafe Gottes halten, doch verbrachte Christus sein Leben damit, die Kranken zu heilen, und wäre er hier, so würde er sicherlich auch die Menschen heilen, welche von diesem Virus befallen wurden, geradeso wie er den leprakranken Samariter heilte«, und ließ einen zehnminütigen Vortrag über vorbeugende Maßnahmen zum Schutz gegen Influenza folgen. Er zählte die Symptome auf und wies auf die Tröpfcheninfektion hin.
    »Nehmen Sie viel Flüssigkeit zu sich und ruhen Sie«, sagte er und breitete die Hände über der Kanzelbrüstung aus, als wäre es eine Segnung, »und rufen Sie beim ersten Anzeichen dieser Symptome Ihren Arzt an.«
    Die Schellenläuter zogen wieder ihre weißen Handschuhe an und begleiteten die Orgel in »Engel aus dem Reich der Herrlichkeit«, was ihnen tatsächlich bis zur Kenntlichkeit gelang.
    Der Geistliche der Bekehrten Unitarier bestieg die Kanzel. »An diesem selben Abend vor mehr als zweitausend Jahren sandte Gott Seinen Sohn, Sein kostbares Kind, in unsere Welt. Können Sie sich vorstellen, welche unglaubliche Liebe erforderlich gewesen sein mußte, um das zu tun? In dieser Nacht verließ Jesus sein himmlisches Heim und ging in eine Welt voller Gefahren und Krankheiten. Er ging als ein hilfloser Neugeborener, der nichts von dem Übel, von dem Verrat wußte, dem er begegnen sollte. Wie konnte Gott Seinen einzigen Sohn in solche Gefahr geschickt haben? Die Antwort ist Liebe. Liebe.«
    »Oder Fahrlässigkeit«, murmelte Dunworthy.
    Colin blickte von der Untersuchung seines Kaubonbons auf und starrte ihn an.
    Und nachdem Er ihn ausgesandt hatte, sorgte Er sich jede Minute um ihn, dachte Dunworthy. Ich frage mich, ob Er dagegen ankämpfte.
    »Es war Liebe, die Christus in die Welt sandte, und Liebe, die Christus bereitwillig, nein, voll Verlangen zu uns kommen ließ.«
    Es hat alles geklappt, dachte er bei sich. Die Koordinaten waren richtig. Es gab nur vier Stunden Verschiebung. Sie war dem Influenzaerreger nicht ausgesetzt. Sie ist sicher in Skendgate, der Rückholtermin steht fest, und ihr Datenspeicher muß schon zur Hälfte mit Beobachtungen gefüllt sein. Sie wird gesund und voller Elan und Aufnahmebereitschaft sein und ist allem, was uns hier Kopfschmerzen bereitet, selig entrückt.
    »Er wurde in die Welt geschickt, um uns in unseren Prüfungen und Leiden zu helfen«, sagte der Geistliche.
    Der Vikar signalisierte Dunworthy, der sich erhob und zu ihm kam. »Ich habe soeben Nachricht erhalten, daß Mr. Latimer erkrankt ist«, flüsterte der Vikar. Er steckte Dunworthy ein gefaltetes Blatt Papier in die Hand. »Können Sie das Dankgebet lesen?«
    »…ein Bote Gottes, ein Abgesandter der Liebe«, sagte der Geistliche und verließ die Kanzel.
    Dunworthy ging zum Lesepult. »Wollen Sie sich bitte zum Dankgebet erheben?« sagte er, entfaltete das Papier und überflog es mit einem Blick. Es war eher ein Bittgebet, denn es begann: »O Herr, gebiete Einhalt Deinem gerechten Zorn…«
    Dunworthy hängte noch eine Bitte daran. »Barmherziger Vater«, sagte er, »beschütze jene, die von uns getrennt sind und geleite sie sicher heim.«

 
    ABSCHRIFT AUS DEM DOOMSDAY BOOK
(035850-037745)
     
    20. Dezember 1320. Ich bin beinahe ganz wiederhergestellt. Meine vermehrten T-Zellen oder die antiviralen Schutzimpfungen müssen endlich ihre Wirkung entfaltet haben. Ich kann einatmen, ohne daß es schmerzt, mein Husten ist vergangen, und ich habe das Gefühl, als könnte ich die ganze Strecke bis zum Absetzort gehen, wenn ich wüßte, wo er ist.
    Auch die Verletzung an meiner Schläfe ist ausgeheilt. Eliwys untersuchte sie heute früh, dann ging sie, holte Imeyne und ließ sie von ihr untersuchen. »Es ist ein Wunder«, sagte Eliwys erfreut, aber Imeyne machte nur ein mißtrauisches Gesicht. Als nächstes wird sie zu dem Schluß kommen, daß ich eine Hexe bin.
    Nun, da ich nicht mehr krank und invalide bin, ist sofort deutlich geworden, daß ich ein Problem bin. Abgesehen davon, daß Imeyne glaubt, ich spioniere oder stehle die Löffel, besteht die Schwierigkeit meiner Identität – wer ich bin, welches mein Status ist und wie ich behandelt werden sollte –, und Eliwys hat weder die Zeit noch die Energie, sich damit zu befassen.
    Sie hat genug Probleme. Ihr Gemahl ist noch immer nicht gekommen, sein Gefolgsmann und Vertrauter liebt sie,

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