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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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habe den ganzen Tag im Gesundheitsamt verbracht und versucht, eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen«, flüsterte sie. »Die Leute scheinen zu glauben, ich hätte die Absicht, herumzulaufen und das Virus zu verbreiten. Ich sagte ihnen immer wieder, daß ich nur zur Ausgrabung fahren würde, daß es dort draußen niemanden gibt, den ich infizieren könnte, aber glauben Sie, die würden auf einen hören?«
    Sie wandte sich zu Colin. »Wenn ich die Ausnahmegenehmigung bekomme, werde ich freiwillige Helfer brauchen. Hättest du Lust, Skelette auszugraben?«
    »Das geht nicht«, sagte Dunworthy hastig. »Seine Großtante würde es nicht erlauben.« Er beugte sich näher und flüsterte ihr ins Ohr: »Wir versuchen zu ermitteln, wo Badri Chaudhuri sich am Montag zwischen zwölf und halb drei aufgehalten hat. Haben Sie ihn gesehen?«
    »Schhh«, machte eine Frau in der Bank hinter ihnen.
    Montoya schüttelte den Kopf. »Ich war mit Kivrin zusammen. Wir beschäftigten uns mit der Karte und dem Lageplan von Skendgate«, flüsterte sie zurück.
    »Wo? Bei der Ausgrabung?«
    »Nein, im Brasenose.«
    »Und Badri war nicht dort?« fragte er, aber tatsächlich hatte es für Badri keinen Grund gegeben, im College zu sein. Er hatte Badri erst im Laufe eines Gesprächs mit ihm nach halb drei gebeten, die Absetzoperation durchzuführen.
    »Nein«, flüsterte Montoya.
    »Schhh!« zischte die Frau.
    »Wie lange waren Sie mit Kivrin zusammen?«
    »Von zehn bis sie zur Untersuchung in die Klinik mußte; um drei, glaube ich«, flüsterte Montoya.
    »SCHHH!«
    »Ich muß gehen und ein ›Gebet an den Großen Geist‹ verlesen«, flüsterte Montoya, stand auf und schlängelte sich durch die Bankreihe hinaus.
    Sie las ihr indianisches Gebet, worauf die Schellenläuter, die weiße Handschuhe und entschlossene Mienen zur Schau trugen, »So komm herab, o Jesu Christ« läuteten, was dem metallisch schlagenden Geräusch in den Heizungsrohren nicht unähnlich klang.
    »Die sind absolut nekrotisch, nicht?« flüsterte Colin hinter seiner Gottesdienstordnung.
    »Das ist atonal. Spätes 20. Jahrhundert«, flüsterte Dunworthy zurück. »Es soll scheußlich klingen.«
    Als die Schellenläuter fertig zu sein schienen, betrat Dunworthy das Lesepult und las aus dem Lukasevangelium: »In jenen Tagen erging ein Erlaß des Kaisers Augustus, daß das ganze Land geschätzt werde…«
    Montoya hatte sich ins Seitenschiff verdrückt und war zum Seiteneingang hinausgeschlüpft. Er hatte sie fragen wollen, ob sie Badri überhaupt am Montag oder Dienstag gesehen hatte oder von irgendwelchen Amerikanern wüßte, mit denen er zusammengekommen sein könnte.
    Er konnte sie am nächsten Tag fragen, wenn sie zur Blutuntersuchung gingen. Das Wichtigste hatte er jedenfalls festgestellt: daß Kivrin am Montagnachmittag nicht mit Badri zusammengetroffen war. Montoya hatte gesagt, sie sei von zehn bis drei mit ihr zusammengewesen und dann sei Kivrin zur Klinik gegangen. Um diese Zeit aber war Badri bereits bei ihm im Balliol College gewesen, außerdem war er erst um zwölf aus London gekommen, folglich konnte er sie nicht infiziert haben.
    »Der Engel aber sprach zu ihnen: ›Fürchtet euch nicht. Seht, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volke zuteil werden soll…‹«
    Niemand schien seiner Lesung Aufmerksamkeit zu schenken. Die Frau, die vorher gezischt hatte, mühte sich aus ihrem Mantel, und alle anderen hatten ihre Mäntel bereits abgelegt und fächelten sich mit ihren Exemplaren der Gottesdienstordnung Luft zu.
    Er dachte an Kivrin, an den ökumenischen Gottesdienst des vergangenen Jahres, wie sie in der kalten Kirche gekniet und während seiner Lesung in hingerissener Spannung zu ihm geblickt hatte. Aber auch sie hatte nicht zugehört. Sie hatte sich den Weihnachtsabend im Jahre 1320 vorgestellt, als das Evangelium auf lateinisch gelesen worden war, aber sonst alles ziemlich ähnlich gewesen sein mußte.
    Ob es so ist, wie sie es sich vorgestellt hat? dachte er, dann kam ihm zu Bewußtsein, daß dort nicht Heiligabend war. Wo sie sich befand, war Weihnachten noch zwei Wochen entfernt. Wenn sie wirklich dort war.
    »›…Maria aber bewahrte alle diese Begebenheiten und überdachte sie in ihrem Herzen‹«, endete Dunworthy und kehrte zu seinem Platz zurück.
    Der Imam gab die Zeiten der Weihnachtsgottesdienste in allen Kirchen bekannt und verlas die Bekanntmachung der Gesundheitsbehörde über die Vermeidung von Kontakten mit infizierten Personen. Der

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