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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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behandeln.«
    Kivrin zog sich aus ihrer Reichweite zurück und stand auf, bemüht, das Messer von jeder Berührung freizuhalten. Pater Roche beugte sich vor und hielt beide Handgelenke des Mädchens mühelos mit einer Hand nieder. Rosemund zappelte und stieß schwächlich mit dem Fuß nach Kivrin. Der Kelch fiel um, und Wein ergoß sich in einer dunklen Pfütze auf die Steinplatten.
    »Wir müssen sie binden«, sagte Kivrin und sah, daß sie das Messer wie zum Zustoßen in die Höhe hielt. Wie eine Mörderin. Sie wickelte es in einen der Leinenstreifen, die Eliwys gerissen hatte, und gab Pater Roche einen weiteren Streifen, mit dem er Rosemund die Handgelenke über dem Kopf zusammenband, während Kivrin ihr die Fußknöchel an das Bein einer der umgelegten Bänke band. Rosemund wehrte sich nicht, aber als Roche ihr das Hemd wieder von der Schulter zog, sagte sie: »Ich kenne dich. Du bist der Wegelagerer, der Katherine überfiel.«
    Pater Roche hielt ihre Arme nieder, und Kivrin beugte sich über die Kranke und schnitt die Beule auf.
    Blut sickerte hervor, kam dann in einem Schwall, und Kivrin dachte in einem schreckerfüllten Augenblick, sie habe eine Arterie getroffen. Sie und Roche griffen gleichzeitig zu den bereitgelegten Stoffstreifen, und drückten ein Bündel davon gegen die Wunde. Das Leinen sog sich augenblicklich voll, und als sie den Stoff wegnahm, um das Bündel auf die Schnittwunde zu drücken, das Pater Roche ihr reichte, sah sie das Blut aus der Wunde sprudeln. Sie drückte das zweite Stoffbündel darauf, und als dieses durchtränkt war, den Saum ihres Überrockes. Rosemund wimmerte, ein kleines, hilfloses Geräusch wie von Agnes’ Welpen, und schien in sich zusammenzusinken.
    Ich habe sie umgebracht, dachte Kivrin.
    »Ich kann die Blutung nicht stillen«, sagte sie, aber sie hatte bereits aufgehört. Sie zählte stumm bis hundert, dann hob sie vorsichtig den Rocksaum von der Wunde.
    Noch immer quoll Blut aus dem Schnitt, aber es war vermischt mit dickem, gelblichgrauem Eiter. Pater Roche wollte ihn wegtupfen, aber Kivrin hielt seinen Arm zurück. »Nein, es ist voll von Pestkeimen«, sagte sie. »Ihr dürft es nicht berühren.«
    Mit dem blutdurchtränkten Stoff wischte sie den eklig aussehenden Eiter fort. Er sickerte nach, gefolgt von einem wässerigen Serum. »Ich glaube, das ist alles«, sagte sie zu Pater Roche. »Gebt mir den Wein.« Sie sah sich nach einem reinen Stoffstreifen um, um ihn darauf zu gießen.
    Es war keiner mehr da. Sie hatten alle aufgebraucht, um die Blutung zu stillen. Sorgsam neigte sie den Weinkrug und ließ die dunkle Flüssigkeit in die Schnittwunde tröpfeln. Rosemund regte sich nicht. Ihr Gesicht war grau, als sei sie gänzlich ausgeblutet. Und beinahe so war es. Kivrin grämte sich, daß sie ihr keine Transfusion geben konnte. Aber sie hatte nicht einmal einen reinen Lappen.
    Pater Roche band Rosemunds Hände los. Er nahm ihre schlaffe Hand in seine großen Hände und nickte. »Ihr Herz schlägt jetzt kräftig.«
    »Wir brauchen mehr Leinen«, sagte Kivrin. Sie schluchzte, mit ihrer Nervenkraft am Ende.
    »Mein Vater wird Sorge tragen, daß ihr dafür gehängt werdet«, murmelte Rosemund.

 
    ABSCHRIFT AUS DEM DOOMSDAY BOOK
(071145-071862)
     
    Rosemund ist bewußtlos. Gestern abend versuchte ich ihre Pestbeule aufzuschneiden und die Infektion abzuleiten, doch fürchte ich, daß ich die Dinge nur schlechter machte. Sie verlor viel Blut, und nun ist sie sehr bleich, der Puls so schwach, daß ich ihn in ihrem dünnen Handgelenk nicht finden kann.
    Der Zustand des Sekretärs hat sich gleichfalls verschlechtert. Die Blutergüsse breiten sich aus, und es wird deutlich, daß er nicht mehr lange zu leben hat. Ich erinnere mich, daß Dr. Ahrens sagte, eine unbehandelte Beulenpest führe in vier bis fünf Tagen zum Tode, aber er wird kaum so lang aushalten.
    Eliwys, Imeyne und Agnes sind noch gesund, doch scheint Imeyne in ihrem krankhaften Bestreben, Schuldige zu finden, allmählich den Verstand zu verlieren. Heute früh schlug sie auf Maisry ein und schrie, Gott bestrafe uns alle für ihre Faulheit und Dummheit.
    Maisry ist faul und dumm, das läßt sich nicht leugnen. Man kann Agnes keine fünf Minuten ihrer Obhut anvertrauen, und als ich sie heute früh Wasserholen schickte, um Rosemund zu säubern, blieb sie länger als eine halbe Stunde aus und kam ohne Wasser zurück.
    Ich sagte nichts. Ich wollte nicht, daß Frau Imeyne sie ein weiteres Mal prügelte, und es ist nur

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