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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Und der Junge sah nicht so aus, als ob er einen Blutverlust überstehen könnte.
    Aber er blutete kaum, und die Farbe kehrte bereits in seine Wangen zurück, bevor Kivrin mit dem Reinigen des Messers fertig war.
    »Gebt ihm Hagebuttentee«, sagte Kivrin mit dem Gedanken, daß es wenigstens gegen die Skorbut helfen würde. »Und Tee von Weidenrinde.« Sie hielt die gewaschene Messerklinge über das Feuer. Es brannte nicht höher als an dem Tag, als sie davor gesessen hatte, zu schwach, um auch nur den Waldrand zu erreichen. Es würde den Jungen niemals warmhalten. »Du mußt Brennholz sammeln, der Junge braucht Wärme«, sagte sie zu der Frau. »Aber geh nicht zu den Nachbarn und halte dich von anderen fern.« Ob die Frau sie verstanden hatte und ihren Rat befolgen würde, blieb ungewiß.
    Vom Weihnachtsschmaus war noch Essen übrig, aber alles andere ging rasch zur Neige. Den Großteil des zu Scheiten gehackten Brennholzes hatten sie verfeuert, um Rosemund und den Sekretär warmzuhalten, und es gab niemanden, den sie bitten konnte, die vor dem Küchenhaus zuhauf liegenden Klötze zu spalten. Der Dorfvorsteher war krank, der Verwalter pflegte seine kranke Frau und den Sohn und mußte die übrigen Kinder versorgen.
    Kivrin nahm einen Armvoll Holzscheite und ein paar lose Rindenstücke zum Anzünden und trug sie über den Dorfanger zu der Hütte des kranken Jungen; sie mochte sich nicht auf die Initiative der Mutter verlassen. Gern hätte sie den Jungen mit zum Herrenhaus genommen, aber Eliwys hatte den Sekretär und Rosemund zu versorgen und schien selbst dem Zusammenbruch nahe. Die ganze Nacht hatte sie bei Rosemund gesessen, ihr Tee aus Weidenrinde eingeflößt und die Wunde neu verbunden. Sie hatten keinen Verbandstoff mehr, und Eliwys hatte ihr Kopftuch abgenommen und in Streifen gerissen. Sie saß stets so, daß sie den Eingang sehen konnte, und alle paar Minuten stand sie auf und ging zur Tür, als hätte sie Hufgetrappel oder Stimmen gehört. Nun, da ihr das dunkle Haar offen auf die Schultern hing, sah sie kaum älter aus als Rosemund.
    Als Kivrin in die Hütte kam, sah sie auf den ersten Blick, daß ihre Befürchtung berechtigt gewesen war. Die Frau war nicht zum Brennholzsammeln in den Wald gegangen. Kivrin lud ihre Last auf den gestampften Lehmboden neben dem Rattenkäfig ab. Die Ratte war fort, wahrscheinlich getötet, und nicht einmal schuldig. »Der Herr hat uns gesegnet«, sagte die Frau zu ihr. Sie kniete beim Feuer und begann sorgfältig Scheite nachzulegen.
    Kivrin ermahnte sie noch einmal, im nahen Wald Brennholz zu sammeln, da sie ihr nichts mehr bringen könne, und untersuchte den Jungen. Aus seiner Pestbeule rann eine wäßrige Flüssigkeit, was sie für ein gutes Zeichen nahm. Rosemunds Beule hatte die halbe Nacht Flüssigkeit abgesondert und dann angefangen, wieder anzuschwellen und hart zu werden. Und ich kann sie nicht wieder aufschneiden, dachte Kivrin. Noch mehr Blutverlust hält sie nicht aus.
    Unterwegs zum Gutshof, beschäftigt mit der Überlegung, ob sie Eliwys helfen oder sich im Holzhacken versuchen solle, begegnete sie Pater Roche, der aus dem Haus des Verwalters kam und Nachricht brachte, daß zwei weitere Kinder des Verwalters erkrankt waren.
    Es waren die zwei kleinen Jungen, und sie hatten offensichtlich die Lungenpest. Beide husteten, und die Mutter würgte und erbrach in Abständen wässerigen Auswurf. »Herr erbarme dich unser«, sagte Pater Roche.
    Kivrin kehrte zurück ins Haus. Die Luft war noch dunstig vom Schwefel, und im gelblichen Feuerschein sahen die Arme des Sekretärs beinahe schwarz aus. Das Feuer war weit heruntergebrannt und im Verhältnis zur Größe des Raumes nicht besser als das in der Hütte, von der sie gekommen war. Kivrin trug den Rest des geschnittenen Holzes herein und sagte Eliwys, sie solle sich hinlegen. Sie, Kivrin, werde Rosemund pflegen.
    Eliwys wollte davon nichts wissen, und der Blick, den sie zur Tür gehen ließ, machte den Grund deutlich. Als ob es noch einer Erklärung bedürfte, sagte sie: »Er ist seit drei Tagen unterwegs.«
    Diese Zeit benötigte er mindestens, um die Strecke nach Bath in beiden Richtungen zurückzulegen. Wenn es ihm gelungen war, dort ohne längeres Suchen seinen Herrn zu finden und zur Abreise zu bewegen, konnte er heute zurückkommen. Es sei denn, er oder Herr Guillaume wären erkrankt…
    Agnes machte leise summende Geräusche und spielte mit ihrem Wagen. Sie hatte ein Halstuch wie eine Decke darübergelegt und machte

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