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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Bewegungen, als füttere sie ihn mit imaginärer Nahrung. »Er hat die Blaukrankheit«, vertraute sie Kivrin an.
    Diese verbrachte den Rest des Tages mit Hausarbeiten, trug Wasser herein, bereitete Fleischbrühe von den Bratenresten, leerte die Nachttöpfe. Die Kuh des Verwalters kam muhend in den Hof, das Euter geschwollen, folgte Kivrin und stieß sie auffordernd mit den Hörnern, bis Kivrin nachgab und sie molk. Zwischen Krankenbesuchen beim Verwalter und dem Jungen hackte Pater Roche Holz und als Kivrin ihre anderen Arbeiten verrichtet hatte, versuchte sie es ihm gleichzutun und hackte, ärgerlich, daß sie es nicht gelernt hatte, unbeholfen auf den großen Kloben herum.
    Kurz vor Dunkelwerden kam der Verwalter und bat um Hilfe für seine jüngere Tochter. Das ist der bisher achte Fall, dachte Kivrin. Das Dorf zählte nur vierzig Einwohner. Ein Drittel bis die Hälfte der Bevölkerung Europas, so hieß es, war der Pest zum Opfer gefallen, und Mr. Gilchrist hielt diese Zahl auf Grund seines Quellenstudiums für übertrieben. Ein Drittel, das würden dreizehn Fälle sein, nur noch fünf. Selbst bei fünfzig Prozent würden nur zwölf weitere Erkrankungen zu verzeichnen sein, und die Kinder des Verwalters waren wie er selbst dem Erreger ausgesetzt gewesen.
    Sie ging mit ihm und sah sie an, die ältere Tochter stämmig und dunkelhaarig wie ihr Vater, den jüngsten Sohn, der das schmale, scharfgeschnittene Gesicht der Mutter hatte, den beängstigend mageren Säugling. Sie waren alle verloren, und das ließ in ihrer Rechnung noch acht Fälle offen.
    Sie schien ausgelaugt, unfähig, etwas zu empfinden, selbst als der Säugling zu weinen begann und das Mädchen ihn in den Arm nahm und ihm den schmutzigen Finger in den Mund steckte. Dreizehn, betete sie. Höchstens zwanzig, lieber Gott.
    Sie konnte auch nichts für den Sekretär empfinden, obwohl sich immer deutlicher abzeichnete, daß er die Nacht nicht überleben würde. Lippen und Zunge waren mit einem braunen Schleim bedeckt, und er hustete wässerigen, mit Blut durchsetzten Speichel. Sie versorgte ihn mechanisch, ohne Gefühl.
    Es ist der fehlende Schlaf, dachte sie; er macht uns alle stumpf und taub. Sie legte sich am Feuer nieder und versuchte zu schlafen, doch schien ihre Übermüdung den Punkt erreicht zu haben, wo sie keine Ruhe finden konnte. Noch acht Leute, dachte sie, und addierte die möglichen Kandidaten zu den Erkrankten. Die Mutter des Jungen, Frau und Kinder des Verwalters, vielleicht er selbst. Blieb ein Rest von drei bis vier, deren Gefährdung noch nicht akut schien. Wenn es nur nicht Agnes sein würde, oder Eliwys. Oder Pater Roche.
    Am Morgen fand Pater Roche die Köchin halb erfroren und Blut hustend im Schnee vor ihrer Hütte. Neun, dachte Kivrin.
    Die Köchin war eine Witwe, ohne Angehörige, die sie versorgen konnten, also trugen sie sie in den Herdraum des Herrenhauses und legten sie neben dem Sekretär ins Stroh, der zu Kivrins Verwunderung und Entsetzen noch immer lebte. Die Blutergüsse hatten inzwischen auf seinen ganzen Körper übergegriffen, sein Leib war bedeckt mit blauschwarzen Flecken, Arme und Beine fast durchgehend schwarz. Ein schwarzer Stoppelbart überzog seine Wangen und sah irgendwie auch einem Symptom gleich, und die Augen waren von dunklen Blutergüssen fast zugeschwollen.
    Rosemund lag nach wie vor bleich und still auf der Schneide zwischen Leben und Tod, und Eliwys pflegte sie mit leiser Behutsamkeit, als könnte jede unbedachte Bewegung, jedes unnötige Geräusch ihr Schicksal besiegeln. Kivrin ging auf Zehenspitzen zwischen den Strohlagern umher, und Agnes, welche die Notwendigkeit des Stillschweigens spürte, es aber nicht ertragen konnte, geriet ganz und gar außer sich. Sie winselte und quengelte, sie hing an der Barrikade, sie bettelte Kivrin ein halbes Dutzend Male, mit ihr zu Blackies Grab zu gehen, ihr Pony zu besuchen, ihr etwas zu essen zu bringen, ihr die Geschichte von dem bösen Mädchen im Wald fertig zu erzählen.
    »Wie geht die Geschichte aus?« quengelte sie in einem Ton, daß Kivrin die Zähne zusammenbeißen mußte, um sie nicht anzufahren. »Fressen die Wölfe das Mädchen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Kivrin nach dem vierten Mal. »Geh und setz dich zu deiner Großmutter.«
    Agnes blickte verächtlich zu Frau Imeyne, die in ihrem Winkel kniete und allen den Rücken zukehrte. Sie hatte die ganze Nacht dort verbracht. »Großmutter spielt nicht mit mir.«
    »Nun, dann spiel mit Maisry.«
    Das tat

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