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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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Absetzort ist, und weil die einzige Person, die es mir sagen könnte, wahrscheinlich tot ist.
    Sie wartete nicht ab, bis das Grab eingeebnet war und bis Pater Roche seine Sterbegebete beendet hatte Sie ging über den Dorfanger davon, wütend auf alle, auf den Verwalter, weil er mit seinem Spaten und der Axt dastand, als könnte er es nicht erwarten, weitere Gräber auszuheben, auf Eliwys, weil sie nicht mitgekommen war, auf Gawyn, weil er nicht zurückkehrte. Niemand kommt, dachte sie. Niemand.
    »Katherine!« rief Pater Roche.
    Sie wandte sich um, und er eilte ihr nach. Sein Atem war wie eine Wolke um ihn.
    »Was ist?«
    Er blickte ihr ernst ins Auge. »Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben«, sagte er.
    »Warum nicht?« erwiderte sie mutlos. »Die meisten sind gestorben, und die Seuche ist noch lange nicht vorüber. Der Sekretär liegt in den letzten Zügen, Rosemund wird ihm bald folgen, wir alle sind der Ansteckung ausgesetzt gewesen. Warum sollte ich die Hoffnung nicht aufgeben?«
    »Gott hat uns nicht gänzlich verlassen«, sagte er. »Agnes ist geborgen in Seinen Armen.«
    Geborgen, dachte sie. In der Erde. In der Kälte. In der Dunkelheit. Sie schlug die Hände vors Gesicht.
    »Sie ist im Himmel, wo die Pest sie nicht erreichen kann. Und Gottes Liebe ist immer mit uns«, sagte er. »Nichts kann uns von ihr trennen, nicht der Tod, noch das Leben, noch gegenwärtige Dinge…«
    »Noch kommende Dinge«, sagte Kivrin.
    »Weder Höhen noch Tiefen, noch irgendein Geschöpf«, sagte er. Er legte seine große Hand auf ihre Schulter, sanft, wie wenn er ihr die letzte Ölung spenden wollte. »Seine Liebe war es, die Euch aussandte, uns zu helfen.«
    Sie legte ihre Hand auf die seine, wo sie auf ihrer Schulter ruhte, und drückte sie fest. »Wir müssen einander helfen«, sagte er.
    So standen sie eine lange Minute, dann sagte Pater Roche: »Ich muß gehen und die Glocke läuten, damit Agnes’ Seele eine sichere Überfahrt habe.«
    Sie nickte und nahm ihre Hand weg. »Ich werde mich um Rosemund und die anderen kümmern«, sagte sie und ging zurück zum Gutshof.
    Eliwys hatte gesagt, sie müsse bei Rosemund bleiben, doch als Kivrin das Haus betrat, war sie nirgendwo in ihrer Nähe. Sie lag zusammengerollt auf Agnes’ Strohsack, eingehüllt in ihren Umhang und beobachtete die Tür. »Vielleicht wurde sein Pferd von denen gestohlen, die vor der Pest fliehen«, sagte sie, »und das ist der Grund, warum er so lang auf sich warten läßt.«
    »Agnes ist begraben«, sagte Kivrin kühl und ging weiter zu Rosemund.
    Sie war wach und bei Bewußtsein. Als Kivrin bei ihr niederkniete, blickte sie ernst zu ihr auf und tastete nach ihrer Hand.
    »Ach, Rosemund«, sagte Kivrin, und Tränen brannten ihr in den Augen. »Liebes Kind, wie fühlst du dich?«
    »Hungrig«, sagte Rosemund. »Ist mein Vater gekommen?«
    »Noch nicht«, antwortete Kivrin, und es schien ihr sogar möglich, daß er noch kommen würde. »Ich werde dir Brühe bringen. Bleib ruhig liegen, bis ich zurückkomme. Du bist sehr krank gewesen.«
    Rosemund schloß gehorsam die Augen. Sie sahen weniger eingesunken aus, obwohl sie noch von dunklen Blutergüssen umgeben waren. »Wo ist Agnes?« fragte sie.
    Kivrin strich ihr das wirre dunkle Haar aus dem Gesicht. »Sie schläft.«
    »Gut«, sagte Rosemund. »Ich mag nicht, wenn sie schreit und herumspringt. Sie ist zu laut.«
    »Ich werde dir die Brühe bringen«, sagte Kivrin. Sie ging hinüber zu Eliwys. »Ich habe gute Nachricht«, sagte sie, »Rosemund ist wach.«
    Eliwys erhob sich auf einen Ellbogen und schaute zu ihr hinüber, aber zerstreut, als dächte sie an etwas anderes, und gleich darauf legte sie sich wieder zurück.
    Besorgt streckte Kivrin die Hand aus und legte sie der anderen auf die Stirn. Sie fühlte sich warm an, aber Kivrins Hände waren noch kalt vom Aufenthalt im Freien, und sie konnte es nicht mit Gewißheit sagen. »Seid Ihr krank?« fragte sie.
    Eliwys verneinte, aber noch immer war es, als ob ihre Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt wären. »Was soll ich ihm sagen?«
    »Ihr könnt ihm sagen, daß es Rosemund besser geht«, sagte sie, und diesmal schien die Botschaft anzukommen. Eliwys erhob sich und ging zu Rosemund und setzte sich zu ihr. Doch als Kivrin mit der warmen Brühe vom Küchenhaus hereinkam, war Eliwys zu Agnes’ Strohsack zurückgekehrt und lag wie vorher zusammengerollt unter dem pelzbesetzten Umhang.
    Rosemund schlief, aber es war nicht der beängstigend totengleiche

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