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Die Janus-Gleichung

Die Janus-Gleichung

Titel: Die Janus-Gleichung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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Schirmherrn, einen treuen Gefolgsmann, der nach Feinden Ausschau hielt, die schon an der nächsten Ecke lauern konnten. Es war eine Rolle, die Winters offensichtlich gerne spielte, ich habe mich um drei von euch gekümmert, es gab keinen Grund, weshalb er seine Aufgabe mit gemischten Gefühlen betrachten sollte. Winters hatte vor zwölf Jahren bei Meridian angefangen, nicht als Chef der Verwaltungsabteilung, sondern als Projektleiter in der Abteilung für angewandte Physik. Man hatte ihn für einen vielversprechenden, wenn nicht sogar hervorragenden Projektleiter gehalten, aber er hatte die Stellung in der naturwissenschaftlichen Abteilung schon vier Jahre später wieder aufgegeben. Von diesem Zeitpunkt an hatte er als Chef des Stabes operiert, als Vertrauensmann, als Mittler, als Anwalt für die Probleme der anderen.
    Für die meisten Menschen mit Winters’ naturwissenschaftlichem Wissen hätte diese Rolle des Mannes im Hintergrund das Verkümmern ihrer geistigen Anlagen bedeutet, aber Winters schien sich nicht darum zu scheren, ob er in der Firmenhierarchie nun aufstieg oder nicht. Dieses Fehlen jeglicher aggressiver Handlungen, um die eigene Karriere voranzutreiben, war bei einem Mann mit Winters’ äußerem Erscheinungsbild doppelt unverständlich; ein Mann, dessen wache Intelligenz und kraftvoller Körper dazu bestimmt zu sein schienen, zu herrschen.
    Die Einsicht, daß Winters’ Körper für die meisten Menschen in völligem Widerspruch zu seiner inneren Einstellung stand, verursachte Essian einen Schweißausbruch; das Abendessen lag ihm schwer im Magen, und er spürte, wie es ihn würgte. Nein, der Körper hatte keine Bedeutung; er war nichts weiter als eine Hülle. Der Körper hatte nicht sehr viel mit dem Verhalten zu tun, das die Menschen an den Tag legten. Wichtig war, wie man sich selber verhielt… sich selbst gegenüber…
    Winters hatte ihn interessiert beobachtet. »Paul, du siehst nicht gut aus. Vielleicht sollten wir das Thema fallenlassen…«
    »Nein, mir geht’s gut. Vielleicht habe ich eine leichte Grippe.« Essian nahm ein paar Schlucke von seinem Brandy, und als dieser das flaue Gefühl in seinem Magen fortbrannte, entspannte er sich etwas. »Insofern als es das Projekt betrifft, weiß ich deine Besorgnis zu schätzen, aber ich werde schon allein mit den Schwierigkeiten fertig.«
    »Vielleicht.« Winters schraubte die Pfeife auseinander, entfernte gewandt und ohne hinzusehen den braunfleckigen Filter und ersetzte ihn durch einen neuen. »Paul, bist du dir sicher, was Janus betrifft? Bist du dir sicher, daß du die Gleichung lösen kannst?«
    Essian zuckte die Schultern. »Ob ich mir sicher bin? Nein. Alles, was ich bisher herausgefunden habe, ist entweder auf der Notiztafel in Arbeit oder befindet sich auf meinem Schreibtisch zu Hause. Während des letzten Monats habe ich meine Tage damit verbracht, auf die Notiztafel zu starren und des nachts auf meine Papiere; immer in der Hoffnung, daß mir die Lösung einfallen würde. Ich dachte, ich hätte angefangen zu begreifen, was Zeit bedeutet. Ich glaube, ich war kurz davor, es zu definieren, ohne für das Wort in der Definition bloß ein anderes Wort mit der gleichen Bedeutung benutzen zu müssen, wie es allgemein üblich ist.« Essian bemerkte die leichte Unsicherheit in seiner Stimme, als ihm der Brandy vom Magen in den Kopf stieg.
    »Paul, vielleicht bist du mit dir selbst zu streng, wenn das Problem gar nicht an dir liegt. Vielleicht gibt es einen winzigen, aber nicht zu behebenden Fehler in dem Konzept für die Reise in der Zeit, den du vor Monaten, als du die groben Basisrechnungen ausgeführt hast, noch gar nicht feststellen konntest. Vielleicht beschäftigst du dich gerade jetzt mit dem Fehler, ohne es zu merken.«
    Essian merkte wohl, daß Winters ihm helfen wollte, daß er es ihm erleichtern wollte, sich von der Verantwortung zu entbinden. Aber er konnte einfach nicht aufgeben. Die Gleichung mußte fertiggestellt werden. Es war nicht nur seine Berufsehre, die das von ihm forderte, sondern noch etwas anderes, etwas sehr viel Intensiveres und Eindringlicheres, fast so, als ob eine Kraft außerhalb seiner selbst ihm keine andere Wahl ließe. Diese Ansicht war zwar in ihrer irrationellen, fast mystischen Kraft sehr befremdend, aber durch nichts zu erschüttern. Die Sicherheit, daß Janus auf irgendeine unerklärliche Art und Weise für sein ganz persönliches Überleben essentiell wichtig war, war noch intensiver als die Gewißheit eines

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