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Die Janus-Gleichung

Die Janus-Gleichung

Titel: Die Janus-Gleichung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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keine richtige Hure; sie war vielleicht nur ein Modell aus den mittleren Stockwerken wie so viele andere, die sich in dem Freudenhaus noch etwas Geld dazuverdiente oder darauf wartete, von irgend jemand entdeckt zu werden. Vielleicht gehörte ihr aber auch ein kleiner Kunsthandel, wo sie impressionistische Holographien verkaufte, und vielleicht ging sie jeden Dienstag zum Gottesdienst in die Panheterodoxe Kirche.
    »Du bist so ruhig«, sagte sie und malte ein Muster auf die Haut über seinen Rippen. »Möchtest du lieber, daß ich still bin?«
    »Nein, red’ ruhig weiter. Was hast du heute gemacht?« Essian war sich ganz sicher, daß sie die Spannung in seiner Stimme spürte, aber sie lachte nur, stützte ihre Hände auf seine Knie und glitt langsam höher, lehnte sich immer weiter über ihn, bis sich ihre Finger endlich um seine Schultern schlossen. Dann legte sie sich langsam über ihn, bis ihre Lippen ihn fast berührten, und er fühlte den warmen Hauch ihres Atems. Sie fing an, ihm seinen Jumpsuit von den Schultern zu streifen, aber er hielt ihre Hände fest. Sie glitt zur Seite und sank auf dem Bett nieder, während er den Anzug auszog und sich zu ihr hinüberrollte. Wie im Traum spürte er ihre Finger, die über seinen Körper tasteten und den Schlüssel zu seinen Gefühlen suchten; die sein Verlangen befriedigen wollten, damit er später, wenn alles vorbei sein würde, ohne zu zögern seinen Preis zahlte. Er reagierte automatisch, und in seinem Gehirn war nur ein einziger Wunsch vorhanden, so sehr er sich auch bemühte, einen klaren Kopf zu bekommen. Sein Körper gab sich diesem Verlangen vorübergehend hin, er bewegte sich und suchte nach jener Öffnung ihres Körpers, die nicht von selbst naß sein würde, sondern die sie vorher mit einer besonderen Creme angefeuchtet hatte. Er versuchte hastig in sie einzudringen, und ihre Hand tastete sich nach unten, um ihm zu helfen, so als ob sie spüren würde, daß es schnell gehen mußte. Er berührte sie, ihre Lippen sogen sich an den seinen fest, wollten ihn einlullen – alle Kraft verließ ihn, er sank in sich zusammen – und versagte.

III
     
     
     
    Essian lehnte sich gegen das Geländer von Winters Balkon und ließ den leichten Wind kühlend über sein Gesicht streichen, während sein Gastgeber hinter ihm geschäftig zwischen Küche und Eßzimmer hin und her eilte. Die Welt ringsum war pechschwarz bis zum Horizont; die einzige Ausnahme war der ungefähr zehn Meilen entfernte Möwensee, der in der Nacht wie Quecksilber schimmerte. In westlicher Richtung, hinter der Erdkrümmung, warf Ameritec III seinen Phosphorglanz wie ein aufgehender Mond in den Himmel.
    Die Glastür hinter Essian öffnete sich, und Winters Hand legte sich auf seine Schulter. »Wunderschön, nicht wahr?«
    »Ja.« Essian fühlte sich geborgen, eingehüllt von der massigen Gestalt seines Freundes, die gegen die Lichter der Apartments wie eine surrealistische Silhouette wirkte. Die Hand auf seiner Schulter hatte mit ihm eine Verbindung aufgenommen, wie sie durch Worte niemals möglich gewesen wäre. Sie stützte und stärkte ihn, so als ob ihre gezähmte Kraft auf ihn überströmte und die seine wurde. Die Hand sagte du bist nicht allein. Essian war dankbar dafür, und deshalb lächelte er: »Ich bin zu spät gekommen, und du hast schon gegessen. Du solltest dir jetzt wirklich nicht mehr die Mühe machen…«
    »Du hast völlig recht. An einem der nächsten Tage werde ich unter der Arbeit zusammenbrechen und mein kostbares Leben aushauchen.«
    Essian mußte lachen, war erstaunt, denn eigentlich war ihm gar nicht danach zumute.
    »Jetzt komm ‘rein und laß dich abfüttern«, sagte Winters, »sonst bläst dich noch dies leichte Lüftchen um.«
    Winters lehnte ein zweites Abendessen ab und beobachtete Essian, wie er in seinem herumstocherte. Danach zogen sie sich ins Kaminzimmer zurück, einen kleinen Raum, dessen Wände mit bernsteingelber Kunstglaspaneele von Phobos furniert waren und in dem gemütliche Armsessel standen. Essian sah zu, wie sein Freund in die maßgeschneiderte Jacke schlüpfte, die er nur zum Rauchen trug, und sich eine seiner alten Bruyerepfeifen stopfte. Winters hätte ein Schauspieler sein können, die großartige Verkörperung des gewitzten Detektivs oder des weisen Arztes, mit dickem Schnurrbart und braunem, vollem Haar, das er nach hinten gekämmt trug. Die hohe Stirn und der fast dämonische Schwung seiner Augenbrauen gaben dem Gesicht einen Ausdruck von Stärke.

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