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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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würde.

7
    D ie rundliche Wirtin, eine ältere und gutmütig aussehende Frau mit einer vorn und hinten herunterhängenden Schürze aus buntem Tuch, gesellte sich sogleich an ihren Tisch, um sie nach ihren Wün schen zu fragen. Sie sprach recht gut deutsch, sodass Byron und Har riet sich problemlos in dieser Sprache mit ihr verständigen konnten. Sie empfahl ihnen das Tagesessen, das den Namen »Räuberbraten« trug und aus Stücken von Rindfleisch, Speck und Zwiebeln bestand, die, gewürzt mit reichlich Paprika, an Spießen über dem offenen Feuer gebraten wurden, und dazu einen kräftigen Weißwein namens Mediasch. Eine Empfehlung, die ihre ungeteilte Zustimmung fand.
    Nachdem sie ihre Bestellung bei der freundlichen Frau aufgegeben hatten, nutzte Byron die Gelegenheit, um sich bei ihr nach Graf Ko vat und der Burg Negoi zu erkundigen. Auch fragte er sie, ob sie wohl wisse, wie sie dorthin gelangen könnten. Dass der Engländer schräg hinter ihnen sofort zusammenfuhr, zu ihnen herüberstarrte und die Ohren spitzte, kaum dass der Name Graf Kovat gefallen war, bemerkte keiner. Denn die verwunderliche Reaktion der Wirtin nahm ihre Aufmerksamkeit in diesem Moment völlig in Anspruch.
    Kaum nämlich hatte Byron die Worte »Graf Kovat« und »Burg Ne goi« ausgesprochen, als sich ihr Verhalten schlagartig veränderte. Ein erschrockener Ausdruck vertrieb das freundliche Lächeln von ei ner Sekunde auf die andere von ihrem Gesicht. Sie bekreuzigte sich hastig, stieß ein gestammeltes »Diese . . . diese Namen sagen mir nichts, mein Herr!« und eilte ohne jede Erklärung für ihr wunderli ches Verhalten davon.
    Byron und Harriet sahen sich verblüfft an.
    »Wissen Sie, was plötzlich in die Frau gefahren ist?«, fragte Harriet verwirrt.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht den Schimmer einer Ah nung, Harriet.«
    »Die Burg und der Name des Grafen müssen doch in dieser Gegend bestens bekannt sein«, sagte Horatio. »So weit entfernt liegt die Burg Negoi doch gar nicht von Piteschti entfernt, wie wir auf der Karte ge sehen haben.«
    Als die Wirtin die Spieße und den Wein brachte, unternahm Byron einen zweiten Versuch, Auskunft von ihr zu bekommen. Doch nun gab sie plötzlich vor, sein Deutsch nicht zu verstehen, obwohl er die se Sprache nach dem intensiven Studium der deutschen Klassiker und Philosophen in Oxford so gut beherrschte wie kaum eine andere Fremdsprache. Und sie eilte gleich wieder verschreckt davon, kaum dass sie die schwer beladenen Teller, Gläser, Bestecke und den wein gefüllten Steinkrug von ihrem Tablett genommen hatte.
    »Was? Auf einmal versteht sie kein Deutsch mehr? Da brat mir doch einer ’nen Storch!«, entrüstete sich Alistair. »Das hat man da von, wenn man auf den Balkan reist!«
    »Wenigstens halten dieser ›Räuberbraten‹ und der Wein, was sie uns versprochen hat«, meinte Alistair mit vollem Mund. Er hatte einen sei ner Spieße quer in den Mund genommen, mit den Zähnen gleich die Hälfte der Stücke von ihm gezogen und sofort den Wein probiert. »Aber nachher sollten wir mal ein ernstes Wort mit dem Wirt...«
    Weiter kam er nicht. Denn in diesem Augenblick stand plötzlich der fremde Engländer an ihrem Tisch. »Entschuldigen Sie die Stö rung, aber ich habe zufällig mitbekommen, dass Sie sich nach Graf Kovat erkundigt haben«, sagte er mit belegter Stimme, als hätte er noch vor Tagen an einer schweren Erkältung und Verschleimung der Atemwege zu leiden gehabt und diese Erkrankung noch nicht vol lends überwunden.
    »In der Tat, das haben wir«, bekräftigte Byron. »Sie sind Engländer, wie ich vermute?«
    Der hagere Mann, der nicht älter als Ende dreißig sein konnte, nickte. »Sie haben richtig vermutet. Matthew Golding ist mein Na me.«
    »Und was treibt Sie zu dieser Jahreszeit in diese elende Gegend?«, fragte Alistair sofort.
    »Berufliche Belange. Ich arbeite als Anwalt für eine Londoner Kanz lei, die sich auf Immobiliengeschäfte spezialisiert und viele Kunden im Ausland hat, für die wir als Sachverwalter, Makler und Notare tä tig sind«, teilte er ihnen mit. »Was nun den Grafen Kovat angeht, so ist mir der Name nicht ganz unbekannt.«
    »Bitte nehmen Sie doch Platz, wenn es Sie nicht stört, dass wir noch beim Essen sind!«, forderte Harriet ihn auf. »Wir sind sehr ge spannt, was Sie uns über diesen Burgherrn sagen können. Die Wirtin zeigte sich nämlich seltsamerweise nicht gerade auskunftsfreudig.«
    Matthew Golding zog sich einen Stuhl heran und setzte sich

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