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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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ein Buch hellster aufklärerischer Erkenntnis aus!«
    »Was es auch ist«, merkte Byron trocken an und köpfte sein Früh stücksei mit einem wohldosierten Messerstreich.

8
    H oratio fluchte hinter zusammengepressten Zähnen, als die klobig bauchige Gebirgskutsche, die von vier robusten Braunen gezogen wurde, wieder einmal hart nach links schwankte und ihn dabei ge gen die Seitenwand schleuderte.
    »Verdammt, für eine Fahrt durch die Karpaten braucht man ja ei nen Hintern aus Gummi und Knochen aus Stahl, wenn man auch nur einigermaßen heil ankommen will!«, stieß er grimmig hervor.
    »Am besten auch noch ein paar Schutzengel«, murmelte Byron mit Blick auf die tiefe Schlucht, gleich zur Linken der verschneiten Straße, welche sich immer weiter hinauf in die Berge wand. Er suchte Beruhigung bei der Versicherung ihres Kutschers, dass die Straße über die Karpaten stets gut in Schuss gehalten wurde und der Schnee gottlob noch nicht so hoch lag, dass sie auf der Strecke mit ernsten Schwierigkeiten rechnen mussten. Wobei die Frage war, was jener Bär von einem Mann, der regelmäßig diese Route befuhr und den Eindruck eines furchtlosen Draufgängers machte, unter »ernsthaften Schwierigkeiten« verstand. Aber darüber wollte er besser nicht nachdenken.
    Im Ausschnitt der Fenster zeigten sich bei jeder Richtungsände rung immer neue Ausblicke auf die wild zerklüftete Bergwelt der Transsylvanischen Alpen. Mal waren es mächtige Waldgebiete, die sich mit ihrem ersten Schneekleid über die Hänge rund gewölbter Berge dehnten. Dann wieder zeigte das vorbeiruckende Panorama schroffe Klippen, die teilweise wie steinerne Lanzen in das Abendrot des Himmels stachen. An anderen Stellen zogen rissige Felswände an der Kutsche vorbei, als hätten gewaltige Explosionen diese tiefen Spalten und Abrisse verursacht. Doch wohin der Blick auch fiel, er traf auf eine lebensfeindliche Einöde aus dunklen Wäldern, Schluch ten mit eisigen Flüssen, die mit weißer Gischt über Klippen stürzten, und dicht gestaffelte Bergketten, die den Eindruck erweckten, als gäbe es dahinter keine andere Welt mehr.
    Byron versuchte, nicht daran zu denken, dass ihnen noch mehrere Stunden in dieser Kutsche bevorstanden, die manchmal wie ein Boot in schwerer See von einer Seite zur anderen schwankte. Sie war mit den acht Fahrgästen bis auf den letzten Platz belegt. Neben ihrer Vierergruppe und dem Anwalt teilten sie den Innenraum noch mit einem alten Bauern und seiner Frau sowie einem narbengesichtigen Zimmermann mittleren Alters. Jeweils drei der Passagiere hatten auf den beiden mager gepolsterten Bänken an der Wand zur Kutschbank und an der gegenüberliegenden Rückwand des Gefährts Platz. Und wenn es dort auch schon reichlich unbequem zuging, so waren diese Plätze doch nichts gegen die Zumutung, die Horatio und Byron auf der schmalen Zwischenbank in der Mitte zu ertragen hatten. Denn ihnen diente als Rückenstütze einzig und allein ein breiter Ledergurt, den der Kutscher rechts und links an den Seitenfenstern eingehakt hatte. Und jene Konstruktion vermochte es nicht, ihnen bei diesem Geschaukel und Gerüttel auch nur einigermaßen Halt zu geben.
    Ihre drei fremden Mitreisenden, die sich die vordere Sitzbank teil ten, redeten leise in ihrer Sprache miteinander und zeigten wenig Freundlichkeit für sie, geschweige denn die Bereitschaft, auf irgend eine Art mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Blicke, die sie ihnen zuwarfen, wirkten auf Byron wie eine merkwürdige Mischung aus Misstrauen, Unverständnis und...ja, Mitleid. Und zweimal glaubte er aus dem Getuschel den Namen des Grafen herauszuhören, war sich dessen jedoch nicht sicher.
    Auch der Anwalt war nicht zum Reden aufgelegt. Er saß mit abwe sender Miene in der linken Ecke der Rückbank und wurde nur dann und wann von einem heftigen Hustenreiz aus seinem freudlosen Sin nieren herausgerissen. Dass er dabei jedes Mal sofort sein Taschen tuch an den Mund führte und mit verstohlen abgewandtem Kopf hi neinspuckte, beunruhigte Byron, nährte es doch einen besorgniser regenden Verdacht. Aber einen Verdacht, den auszusprechen, die Höflichkeit verbot, und immerhin hatten sie es ihm zu verdanken, dass sie nun ohne Verzögerungen von Piteschti zu Graf Kovat auf sei ne Burg Negoi gelangten.
    Das Abendlicht verglomm und die dunklen Schatten der Nacht kro chen aus den Wäldern und engen Schluchten, bis sie den letzten schwachen Lichtschein erstickt hatten. Und mit der Nacht griff nun auch die eisige

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