Die Judas-Papiere
Essbarem.
»Hier ich soll bringen«, sagte der Besitzer der Araba in gebroche nem Englisch und bedeutete ihnen auszusteigen. »Sollen warten! Wird Mann kommen!«
Sie stiegen von der Araba, die sogleich kehrtmachte und sich in der Richtung entfernte, aus der sie gekommen waren.
»Wirklich ein reizender Ort für ein nächtliches Stelldichein!«, sagte Horatio grimmig. »Da hat sich unser Ordensbruder aber mächtig an gestrengt, um uns noch ein paar außergewöhnliche Sehenswürdig keiten zu bieten!«
Byron zuckte die Achseln. »Kein schlechter Platz, wenn man sich vergewissern will, ob wir auch wirklich keine Verstärkung mitge bracht haben. Warten wir also, bis unser Mann auftaucht. Etwas an deres bleibt uns sowieso nicht übrig.«
»Ich sage euch, der Ordensbruder lockt uns hinaus aufs platte Land, wo kein Hahn nach uns kräht, wenn wir da nachher irgendwo in unserem Blut liegen!«, murmelte Alistair, von düsteren Ahnungen heimgesucht.
»Red doch nicht so einen Unsinn!«, widersprach Horatio heftig. »Er wird den Teufel tun, sich völlig unnötig die Polizei auf den Hals zu hetzen! Und wenn diese Bande wirklich so skrupellos wäre und vor Mord nicht zurückschrecken würde, dann hätten sie uns schon in der Kanalisation von Wien kaltblütig abgeknallt. Also lass gefälligst dieses apokalyptische Unken!«
Angespannt warteten sie darauf, dass sich endlich jemand zeigte. Geschlagene zehn Minuten verstrichen. Dann bemerkte Alistair plötzlich eine Gestalt, die vor ihnen aus den Ruinen auftauchte.
»Da kommt jemand!«
»Gebe Gott, dass jetzt alles gut geht!«, flüsterte Byron und sein Herz krampfte sich bei dem Gedanken an Harriet zusammen, für die das Warten und die Ungewissheit seit ihrer Entführung sicherlich noch viel qualvoller waren als für sie.
9
E in Mann mittleren Alters und mittlerer Größe stiefelte mit schnel len Schritten durch das Trümmerfeld auf sie zu. Er führte eine Lampe mit sich, deren Docht jedoch nur schwach glomm. Dass er kein Ein heimischer war, verriet beim Näherkommen nicht nur seine europäi sche Kleidung, sondern auch sein dunkelblondes Haar, das er sehr kurz geschnitten trug.
»Haben Sie Mortimer Pembrokes Notizbuch?«, fragte er barsch und ohne Umschweife auf Englisch, doch mit einem starken Akzent.
Byron wusste sofort, dass sie es mit einem Österreicher zu tun hat ten und der Mann vermutlich aus Wien stammte. Denn wienerisches Englisch hatten sie in den Tagen ihres Aufenthaltes dort zur Genüge gehört.
»Ja, das haben wir. Was dachten Sie denn?«
»Zeigen Sie es!«, rief der Österreicher.
Byron zog das Notizbuch und zugleich auch das Sturmfeuerzeug, das er sich von Alistair ausgeliehen hatte, aus seiner Jacke. »Hier ist es.«
»Geben Sie her!« Der Mann streckte die Hand danach aus.
»Ich denke gar nicht daran!«, sagte Byron, ließ das Feuerzeug auf schnappen und setzte den Docht mit einer raschen Daumenbewe gung in Brand. Er hielt die Flamme nahe an Mortimers Notizbuch. »Sie bekommen das Buch erst, wenn wir Harriet sehen und uns davon überzeugt haben, dass es ihr gut geht! Sollten Sie versuchen, uns zu hintergehen, stecke ich das Notizbuch in Brand! Wir haben die hinte ren leeren Seiten mit Petroleum getränkt. Es wird brennen wie Zun der, das verspreche ich Ihnen!« Das mit den getränkten Seiten war zwar gelogen, aber das konnten diese Dunkelmänner nicht wissen.
»Sind Sie verrückt geworden? Vorsichtig mit der Flamme!«, stieß der Mann erschrocken hervor. »Also gut, behalten Sie es vorerst. Aber lassen Sie mich sehen, ob es auch wirklich das richtige ist! Halten Sie es hoch und blättern Sie die Seiten langsam durch! Ich weiß, wie Mortimer Pembrokes Aufzeichnungen aussehen müssen!« Damit hob er seine Petroleumlampe und drehte den Docht höher.
Byron klappte das Notizbuch auf, hielt es ins Licht der Lampe und blätterte die Seiten auf.
Alistair wurde ungeduldig. »Verdammt noch mal, wollen Sie sich vielleicht jede Seite anschauen, Mann?«, blaffte er. »Es ist Mortimers Buch! Und jetzt bringen Sie uns endlich zu Harriet! Sie haben uns lan ge genug warten lassen!«
Byron nickte. »Es ist das richtige Notizbuch. Sie haben mein Ehren wort als Gentleman!«, versicherte er und schlug das Buch wieder zu. »Und nun tun Sie, was mein Freund gesagt hat!«
»Vorher muss ich Sie noch nach versteckten Waffen abtasten!«, er widerte der Österreicher. »Also drehen Sie mir den Rücken zu und heben Sie Ihre Hände, damit ich sie jederzeit sehen
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