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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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ihrigen verbunden.
    Hinter ihnen hockte Horatio.
    »So, jetzt kommt der wohl gefährlichste Teil, alter Fassadenklette rer!«, raunte Alstair ihm zu, während er die beiden verbundenen Tuchbahnen straff hielt. »Dein Auftritt, Herr Artist!«
    Horatio nickte, bewegte sich tief gebückt zur Galerie, wickelte das Seil, das im Rückengurt eingehakt war, einmal um die obere Mes singstange und zog den Rest langsam über die Stange nach, bis er Zug am Rückengurt spürte. Dann stellte er in noch immer zusam mengekauerter, verrenkter Haltung seinen linken Fuß auf die mittle re der Geländerstangen und schob sich dann ganz langsam, um kei ne auffällige Bewegung zu verursachen, auf die obere Stange.
    Dabei hob Alistair das Tuch leicht an, damit es Horatio verdeckte, er sich jedoch nicht im Stoff verhedderte. Im Blickschutz der Tuch bahnen ließ Horatio sich nun langsam und mit dem Kopf voran ab wärts gleiten.
    Mithilfe des komplizierten Mechanismus, den er ersonnen hatte, kroch er nun wie eine Spinne unter dem Galerieboden langsam in Richtung des verglasten Kastens, der sich nur wenige Schritte im Rücken der ahnungslosen Kasinogäste auf den Emporestühlen der zweiten Sitzreihe befand.
    Es erwies sich als bedeutend schwerer, als er gedacht hatte. Hinter den Vorhang fiel kaum Licht und schon gar nicht an die Wand über dem Schaukasten. Und dass ihm das Blut in den Kopf schoss, weil er bei dieser Art der Fortbewegung ja kopfüber hing, machte die Sache auch nicht leichter.
    Er hätte gerne ein kurze Pause gemacht, um zu verschnaufen, doch das hätte an dem Druckgefühl in seinem Kopf auch nichts geändert. Außerdem erhob sich im Saal nun wieder Applaus, was bedeutete, dass sich gleich schon die dritte Gruppe des Vorprogramms auf die Bühne begeben würde und ihm nicht mehr viel Zeit blieb.
    Von oben gesichert durch Byron und Alistair, kroch Horatio weiter entlang des Führungsseils. Endlich hatte er den Glaskasten mit dem Krummschwert erreicht. Er verharrte und zog einen Bund Nach schlüssel heraus, die er mit Ausnahme der Barte mit dünnen Stoff-streifen umwickelt hatte, um lautes Klirren zu vermeiden. Aber in diesem Moment hätte das auch keiner im Saal gehört, weil die Bo denakrobaten den Applaus der Zuschauer entgegennahmen. Nun wurde es allmählich eng, denn allzu lange würde die Vorstellung des Zauberers kaum dauern.
    Horatio hing direkt vor der Glasscheibe, während er nach dem richtigen Dietrich für die beiden Schlösser suchte. Der erste Versuch misslang. Doch zu seiner Erleichterung hielt er schon beim zweiten Versuch den passenden Schlüssel in der Hand. Er entriegelte die Schlösser, schob den Bund mit den Nachschlüsseln zurück in die Tasche und knöpfte sie wieder zu. Dann brachte er sich noch näher an den Schaukasten heran, klappte den Rahmen auf und achtete darauf, dass die in Holz gefasste Glasplatte sich in ihren Schar nieren lautlos nach unten bewegte und ohne Nachschwingen zur Ruhe kam.
    Augenblicklich beugte er sich vor und griff nach dem Krumm schwert. Behutsam wie ein rohes Ei hob er es aus seinen Halterun gen, presste die breite Klinge mit dem linken Arm fest an seine Brust und drehte den Knauf des Griffstückes auf. Ein Gefühl der Genugtu ung, ja fast des Triumphes, wie er es nur selten bei seinen Einbrü chen erlebt hatte, erfüllte ihn, als sein Finger den Hohlraum ertaste te und dabei auf eine kleine Papierrolle stieß.
    Jetzt nichts wie zurück nach oben auf die Galerie!

14
    H oratios Rückkehr gestaltete sich rasanter, als es geplant gewesen war. Denn gerade wollte er den Knauf mit dem Smaragd wieder auf das Griffstück schrauben, als plötzlich eine verblüffte Frauenstimme im Saal rief: »Sieh doch mal, Charles! Dahinten auf der Empore hängt ein Artist! Ist das etwa ein Schwert, was er da in der Hand hält? Was Mister Murat sich nur für aufregende Überraschungen hat einfallen lassen!«
    Im nächsten Augenblick folgten kurze, scharfe und alarmiert klin gende Rufe auf Türkisch, die gewiss an Murat gerichtet waren, denn in ihnen ließ sich auch das Wort »Saladin« heraushören. Vermutlich unterrichteten ihn Kasinobedienstete davon, was da gerade auf der Empore vor sich ging.
    Horatio fuhr der Schreck in die Glieder. Achtlos ließ er Krummsä bel und Smaragdknauf fallen und schrie nach oben: »Einholen! Zieht, was ihr könnt!« Dann steckte er sich die Papierrolle zwischen die Zähne und biss fest darauf.
    Während unten alle von ihren Sitzen sprangen und der Zauberer mit verdatterter

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