Die Judas-Papiere
sondern der Rumpf eines U-Bootes!«, stieß Alistair hervor.
»So ist es, werte Freunde! Ich dachte, die Gelegenheit wäre güns tig, Sie einen Blick in die Zukunft der Kriegsmarine werfen zu las sen!«, rief Basil Sahar vergnügt. »Aber jetzt muss es schnell gehen! Wir müssen an Bord der Argonaut VI sein, bevor Murats Männer uns wieder in Sicht haben!«
»Wir sollen da einsteigen und in so einer Blechbüchse abtau chen?«, fragte Horatio entsetzt, während das U-Boot lautlos heran glitt. In der offenen Luke stand ein Mann, der eine Leine in der Hand hielt. »Diese Dinger haben doch bestimmt noch 1000 Kinderkrank heiten!«
»Ja, aber die Alternative wäre, dass wir uns gleich eine Kugel ein fangen!«, sagte Byron, dem auch nicht wohl war bei der Vorstellung, gleich in das Unterseeboot klettern zu müssen.
Es blieb ihnen gar nicht viel Zeit, sich darüber Gedanken zu ma chen. Denn da war das U-Boot auch schon längsseits gegangen. Die Leine flog zu ihnen herüber und Basil Sahar drängte sie, hinüberzu steigen und so schnell wie möglich durch die Luke und über die Ei senleiter ins Innere zu klettern. Der Seemann achtete darauf, dass sie an Deck nicht ausrutschten. Das Kaik glitt schon mit gemächli chem Ruderschlag weiter, noch bevor die Luke geschlossen war. Wenn Murats Männer es eingeholt hatten, würden sie in dem Boot keine Fremden finden. Und die einheimischen Ruderer würden be haupten, dass sie auch keine Engländer an Bord gehabt hätten und sich Murats Leute geirrt haben mussten. Denn wohin hätten die Eng länder denn plötzlich verschwunden sein können, so mitten auf dem Wasser?
Unten im U-Boot herrschte drangvolle Enge. Byron und seine Freunde hatte sich auf Anweisung eines schlanken Mannes mit einem kurz getrimmten Vollbart, bei dem es sich offenbar um den Kommandanten handelte, vorn im Bugraum platziert. Jeweils zwei rechts und links. Überall fiel der Blick auf ein Gewirr von Rohren, eisernen Handrädern, Hebeln und Armaturen, hinter deren runden Glasscheiben sich Zeiger über Skalen mit Nummern und Prozentzahlen bewegten. Der Boden unter ihren Füßen bestand aus Eisenrosten, die den Blick auf ähnlich verwirrende technische Anlagen im unteren Teil des Rumpfes freigaben. Vom Heck des Bootes kam das tackernde Geräusch einer Maschine.
»Hier könnte ich das Beten lernen«, murmelte Alistair und schluck te immer wieder, als kämpfte er mit aufsteigender Übelkeit.
Horatio hielt sich krampfhaft an einem Eisengriff fest, sodass die Knöchel weiß unter der Haut hervortraten. »Ich habe mir ja vieles vorstellen können«, sagte er, »aber nicht, dass ich eines Tages mein Grab in einem zusammengedrückten Stahlsarg auf dem Grund des Bosporus finde!«
»Nur ruhig, Basil wird schon wissen, was er tut«, raunte Byron. »Er macht mir nicht den Eindruck eines lebensmüden Mannes.«
»Aber ein bisschen verrückt ist er schon«, erwiderte Alistair sofort mit heiserer Flüsterstimme. »Und bei solchen Leuten weiß man nie, wann sie einmal die Grenze zur Idiotie überschreiten!«
Der Kommandant gab in schneller Folge und auf Französisch eine Reihe von Befehlen an seine dreiköpfige Mannschaft, die daraufhin Hebel umlegte und an Eisenrädern drehte.
Augenblicklich war ein gedämpftes, bedrohlich klingendes Zi schen zu vernehmen. Gleichzeitig ging das Tackern der Maschine in einen schnelleren Rhythmus über und das U-Boot neigte sich mit dem Bug nach unten. Doch schon nach einigen Sekunden, die Byron und seinen Freunden jedoch erheblich länger vorkamen, erstarb das Zischen und der Rumpf richtete sich unter Wasser wieder auf.
»So, damit hätten wir genug Wasser über uns, um nicht mehr gesehen zu werden und auch mit keinem Schiffskiel zu kollidieren!«, ver kündete Basil Sahar. »Erlauben Sie mir jetzt, Ihnen mon cher capitain Jules Revén vorzustellen!«
Der französische Kapitän nickte ihnen von seinem Kommando stand kurz zu, um dann seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf die Anzeigen zu richten.
»Großzügigerweise hat er sich auf meine Bitte hin bereit erklärt, diese nächtliche Spazierfahrt unter dem Bosporus mit reduzierter Mannschaft vorzunehmen«, fuhr Basil Sahar geradezu heiter fort. »Gewöhnlich sind sieben Männer an Bord. Aber mit Ihnen und mir wäre das wohl bei dem begrenzten Raum nicht möglich gewesen. Und die Männer, die sonst vorne die beiden Torpedorohre bedie nen, dürften heute nicht nötig sein. Obwohl es natürlich verlockend wäre, Murats Kasino einen solchen
Weitere Kostenlose Bücher