Die Judas-Papiere
reservierte Zimmer hatte Murat mit üppigen Blumen sträußen schmücken lassen. Das Lotterbett war weggebracht und durch vier Sessel ersetzt worden. Auch warteten auf sie zwei Silber tabletts mit Kanapees und Süßigkeiten sowie eine Auswahl an Ge tränken, unter anderem auch zwei Flaschen Champagner in silber nen Kühlern.
Harriet lachte trocken auf. »Na, an so eine Künstlergarderobe könnte ich mich sehr leicht gewöhnen. Zu dumm nur, dass ich nicht halb so berühmt bin, wie Basil Sahar mich gemacht hat!«
Byron setzte die Ledertasche mit ihrer Ausrüstung ab, trat kurz ans Fenster, das in Richtung der asiastischen Küste mit dem Stadt teil Skutari hinausging, und blickte hinunter. »Unser Kaik liegt di rekt hier unter uns, wie Basil Sahar versprochen hat«, teilte er ihnen mit.
»Auf den Mann ist wirklich Verlass«, sagte Alistair und ließ den Kor ken der ersten Champagnerflasche knallen. Und auf Byrons stirnrun zelnden Blick hin fügte er grinsend hinzu: »So was kann man doch nicht verkommen lassen, Freunde! Zudem wäre es doch unhöflich, Murats nette Gaben zu verschmähen!«
»Für das, was wir vorhaben, brauchen wir einen klaren Kopf!«, mahnte Byron.
»Den werden wir auch haben!«, erwiderte Alistair fröhlich. »Aber ein, zwei Gläschen schmeißen uns doch nicht um, sondern bringen uns erst so richtig in Schwung!«
Während Horatio sofort damit begonnen hatte, die Ledertasche auszuräumen und auf dem Boden auszubreiten, war Harriet in einen der Samtsessel gesunken. Stumm schüttelte sie den Kopf, als Alistair ihr ein Glas mit perlendem Champagner anbot.
Horatio warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Wisst ihr, was? Wir zie hen das Ding schon während der Vornummern durch und warten erst gar nicht, bis Harriet auf dem Seil ist! Ich glaube nämlich, ihr ste cken die Entführung und die Schießerei in der Zisterne doch zu sehr in den Knochen!«
Harriet protestierte sofort und beteuerte das Gegenteil.
Byron fiel ihr schnell ins Wort, denn er hatte denselben Eindruck wie Horatio. »Nein, du gehst da nicht hinaus! Horatio hat recht. Au ßerdem eliminieren wir dadurch auch noch das Risiko, dass du nach her nicht schnell genug von der Bühne kommst. Und falls doch etwas schiefgehen sollte, während du noch auf dem Seil balancierst, könn te es sehr düster für dich aussehen!«
Alistair pflichtete ihm bei. »Ich bin auch dafür, dass wir die Sache sofort hinter uns bringen. Denn das nervende Warten, bis das Vor programm endlich vorbei ist, würde mich bloß dazu verleiten, mir noch mehr von diesem köstlichen Getränk zu genehmigen!«
Harriet versuchte erst gar nicht, sie umzustimmen.
»Also dann, an die Arbeit!«, sagte Byron. »Geben wir Murat die sen sationelle Vorstellung, nach der es ihn gelüstet, wenn auch mit eini gen kleinen Programmänderungen!«
1 3
D en Ablauf ihrer Aktion hatten sie mehrfach bis ins kleinste Detail durchgesprochen. Jeder wusste, was er wann zu tun hatte. Allein Harriet war nun ohne besondere Aufgabe.
Deshalb übertrug Byron ihr einen Teil von dem, was in Alistairs Verantwortung fiel, damit sie sich nicht völlig nutzlos vorkam. »Du übernimmst den Part mit der Putzwolle und dem Seil! Zünde schon mal die Kerze an.«
Harriet nickte, suchte sich aus den von Horatio ausgebreiteten Sa chen zusammen, was sie dafür brauchte, und setzte den Docht der Kerze in Brand.
Alistair klemmte sich eine zusammengefaltete Bahn aus schwar zem Tuch unter den Arm, steckte sich vier große Sicherheitsnadeln in den Mund, um sie sofort griffbereit zu haben, und schob sich ein Paar Lederhandschuhe in seine Jacketttasche.
Indessen knöpfte sich Horatio seine schwarze »Arbeitsweste« zu, die er gegen das Jackett seines Anzuges ausgetauscht hatte. Die Weste, die er schon aus England mitgebracht hatte und die zum festen Be stand seiner Ausrüstung gehörte, besaß ähnlich wie eine Jägerweste vorn eine Vielzahl von Schlaufen und unterschiedlich breiten wie tie fen Taschen. Er griff zu einem Leibgurt aus zwei breiten Lederstreifen, die sich über Brust und Rücken kreuzten und zwischen den Beinen entlangführten. Dort, wo sich die beiden Gurte auf dem Rücken kreuz ten, war eine Lederschlaufe verstärkt eingearbeitet.
Während Horatio noch damit beschäftigt war, die Gurte zurechtzu rücken und sie mit den Schnallen so eng wie möglich zu ziehen, nahm Byron zwei kleine Rollen schwarz gefärbter Kordel sowie zwei Haken mit Gewindespitze an sich. Auf sein Zeichen hin löschte Alistair das
Weitere Kostenlose Bücher