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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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helle Licht im Zimmer, sodass jetzt nur noch die Kerze brannte.
    Leise öffnete er die Tür, trat hinaus auf die Galerie und vergewis serte sich, dass sich wirklich keiner hier oben aufhielt. Lachen kam von unten aus dem Saal. Auf der Bühne standen die beiden Bauch redner. Sie hatten sich als Palastdiener verkleidet und trieben ihre Späße, bei denen das Spottgespräch zwischen einem Stoffesel und einer lebensgroßen Männerpuppe, die ihrem Kostüm nach wohl den Sultan darstellen sollte, im Mittelpunkt stand.
    Schnell zog sich Byron vom Geländer zurück, bückte sich und schlich im Sichtschutz der verhängten Galerie in den Gang an der rechten Längswand des Kasinos. Nach sechs, sieben Schritten kniete er sich hin und legte das Ende einer Kordel, das schon zur Schlaufe gebunden war, um einen der mitgebrachten Haken. Dann schraubte er diesen etwas über Fußgelenkhöhe in das weiche Holz der Wand. Nachdem er die Kordel straff gezogen hatte, band er das andere En de auf derselben Höhe an die untere Messingstange des Geländers. Damit war die erste der beiden Stolperfallen an ihrem Platz. Geduckt lief er zum Galeriegang auf der gegenüberliegenden Seite und brach te dort die zweite Fallschnur an.
    Wenig später stand er wieder im Zimmer. »Die Luft ist rein und die Schnüre sind gespannt!«
    Horatio sah in seinem breiten Ledergeschirr wie ein Bauarbeiter aus, der in schwindelerregender Höhe auf den hohen Stahlgerüsten eines jener Wolkenkratzer, die in Amerika und auch in Europa im mer mehr in Mode kamen, seiner Arbeit nachging. In die Lederlasche auf seinem Rücken hatte Alistair schon das Hakenende von zwei dünnen Stahlseilen eingehängt. Das eine besaß eine Länge von vier zehn Ellen und lag aufgerollt hinter ihm auf dem Boden. Das andere, dessen Länge weniger als eine Elle betrug, hing von der Gurtschlaufe herab und führte unter der rechten Achsel herum zur Brust, wo er das Hakenende in einer Schlaufe eingehängt hatte.
    Oben aus dem Ausschnitt der Weste kam ein dunkler Stoffbeutel zum Vorschein. Unter dem Stoff zeichneten sich mehrere dünne Me tallstangen ab. Auch ragte aus einer der Taschen eine Art von Eispi ckel hervor, nur dass dieser nicht über einen, sondern über drei ge spreizte Zacken verfügte, die nadelspitz ausliefen.
    »Ich bin bereit!«, sagte Horatio leise. »Wenn ihr es auch seid, kön nen wir zur Tat schreiten!«
    »Von mir aus kann es losgehen«, sagte Alistair undeutlich und bleckte die Zähne, zwischen denen die vier großen Sicherheitsna deln hervorragten.
    »Einen Augenblick!«, sagte Byron, stopfte sich wie Alistair ein Paar Lederhandschuhe in die linke Jackentasche, hängte sich ein drittes Seil, das nicht mit Horatios Rückengurt verbunden war, über die Schulter und schob sich ein merkwürdiges, handbreites und hand langes Eisenteil in die andere Tasche, aus dessen einer Seite zwei Reihen mit je sechs fingernagellangen Eisendornen hervortraten. In der Mitte hing ein dünner Eisenring an einem daumenlangen schma len Eisenstift herab.
    »Gebe Gott, dass du die Stärke der dünnen Seile und Ringe auch richtig bemessen hast, Horatio!«, sagte Harriet beunruhigt, als sie sah, wie Byron beides an sich nahm.
    »Keine Sorge, das Zeug wird schon halten!«, versicherte Horatio und rückte seine Brille zurecht. Dieser kurze Griff zur Brille war der einzige Hinweis darauf, dass er innerlich nicht ganz so gelassen war, wie er sich den Anschein gab.
    Aus dem Saal drang Applaus zu ihnen herauf. Die Bauchredner hat ten demnach ihren Auftritt beendet.
    Harriet nahm die Kerze und stellte sie ganz nach hinten zwischen zwei Blumensträuße. Nun drang nur noch ein schwacher Lichtschein hinter ihnen hervor.
    Behutsam öffnete Byron die Tür, trat hinaus und rollte schnell den Läufer auf, sodass der Bretterboden entblößt vor ihnen lag. Dann nickte er Alistair zu. Dieser stand im nächsten Moment neben ihm am Geländer. Unten auf der Bühne begannen die Artisten auf ihren Hochrädern mit ihren Darbietungen.
    Alistair faltete hinter der Balustrade der Galerie das schwarze Tuch auseinander. Indessen löste Byron schon das erste Band, mit dem das mittlere der über der Empore herabhängenden Tücher oben am Geländer befestigt war. Sogleich zog Alistair eine der Sicherheitsna deln zwischen seinen Zähnen hervor und befestigte das eine Ende ihres Tuches an dem entsprechenden Seitenende der herabfallenden Stoffbahn. Rasch waren auch die drei anderen Bänder gelöst und Mu rats schwarzer Stoff mit dem

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