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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Ausgang dieser »kühne Husarenstreich« nehmen würde, stand jedoch noch längst nicht fest. Denn sie hatten sich noch keine zwei Bootslängen vom Haus des Glücks entfernt, als Murats wutent brannte Stimme zu ihnen über das Wasser drang. Er schrie auf seine Männer ein, zu denen auch bewaffnete Wachleute gehörten, und deutete immer wieder auf sie.
    »Verdammt!«, fluchte Alistair. »Er hat uns entdeckt! Jetzt hetzt er uns seine Bande auf den Hals!«
    »Mist!«, stieß auch Harriet grimmig hervor. »Und wir hatten ge hofft, in dem allgemeinen Chaos unbemerkt zu entwischen! Gleich haben wir einige von Murats pfeilschnellen Kaiks in unserem Kiel wasser!«
    »Und die Kerle haben Waffen!«, sagte Horatio mit besorgter Miene. »Das kann noch böse ins Auge gehen!«
    »Damit war zu rechnen gewesen«, sagte Basil Sahar gelassen. »Und deshalb habe ich für diesen Fall Vorsorge getroffen. Murats Leute ha ben keine Chance, uns einzuholen. Wir werden ihnen ein Schnippchen schlagen! Die Burschen, die gleich unsere Verfolgung aufnehmen, werden sich wundern!« Und dann rief er den Ruderern zu: »Wir nehmen nicht Kurs zum Galatahafen, sondern zum Leanderturm, ihr wisst schon! Und wenn ihr dem Kaik Flügel verpasst und es zum Fliegen bringt, dann gibt es für jeden noch eine Zulage von zwei Goldstücken!«
    Die vier muskulösen Männer grinsten und legten sich nun noch mehr ins Zeug. Das Boot schoss bald mit einer Geschwindigkeit durch die nächtlichen Fluten, als wolle es sich tatsächlich jeden Mo ment in die Lüfte erheben.
    »Was wollen wir denn beim Leanderturm?«, fragte Byron verwirrt. »Das ist doch bloß eine winzige Insel mitten im Wasser, auf der ein Leuchtturm steht! Dort können wir uns nie und nimmer vor unseren Verfolgern verstecken!«
    »Warten Sie es ab, Mister Bourke!«, erwiderte Basil Sahar. »Man braucht nicht unbedingt wie Aladin eine Wunderlampe zu haben, um sich wie ein Geist in Luft aufzulösen!« Damit beugte er sich zu dem Korb hinunter, der unter seinem Sitzbrett stand und mit einem Stück alten Segeltuchs abgedeckt war. Er zog das Tuch weg und da runter kamen zwei schon brennende Signallaternen zum Vorschein. Die eine leuchtete rot, die andere grün.
    »Ich hoffe, er weiß, was er tut!«, murmelte Alistair skeptisch, als sie unter peitschendem Riemenschlag auf die kleine Felseninsel zuhiel ten.
    Der Leuchtturm mit seiner einem Minarett ähnlichen Spitze und einem sich anschließenden Gebäude, das mal als Quarantänestation und mal als Zollstation Verwendung gefunden hatte, ragte etwa eine Viertelmeile vor dem Ufer von Skutari aus dem Marmarameer. Er war im achtzehnten Jahrhundert auf einem schmalen Eiland errichtet wor den. Von der Insel aus hatte man zu byzantinischen Zeiten im Kriegs-fall eine schwere Kette quer über den Bosporus gespannt, um feindlichen Schiffen die Einfahrt zu verwehren. Seinen europäischen Namen verdankte der Leanderturm einer Legende. Der zufolge schwamm Leander jede Nacht zu seiner geliebten Hero. Als jedoch eines Nachts die Fackel erlosch, die ihm den Weg wies, verlor er die Orientierung und ertrank. Die Türken nannten ihn dagegen »Mädchenturm« und ihre Legende, die diesem Namen zugrunde lag, war nicht weniger tragisch. Sie erzählte nämlich von einer Prinzessin, der ein Wahrsager den Tod durch Vergiftung prophezeit hatte. Darauf sei sie zu ihrem Schutz in den Turm eingeschlossen worden. Ihrem Schicksal vermochte sie dennoch nicht zu entgehen. Denn sie wurde durch den Biss einer Giftschlange getötet, die in ihren Obstkorb gelangt war.
    Das Kaik schoss schon bald durch die Meerenge zwischen der Leuchtturminsel und dem asiatischen Ufer. Kaum befanden sie sich auf einer Höhe mit dem Leuchtturm, als die Ruderer das Boot scharf nach links steuerten. Damit brachten sie den Turm und das Gebäude mit seinen von Säulen getragenen Vordächern zwischen sich und die drei schmalen Kaiks, die ihre Verfolgung aufgenommen hatten.
    Basil Sahar griff nun zu den beiden Signallaternen und schwenkte sie vor sich über Kreuz.
    »Wem will er denn bloß ein Zeichen geben?«, fragte Horatio ver wundert. »Seht ihr etwas?«
    Alistair starrte wie seine Freunde über die offene, freie Wasserflä che, auf der weit und breit kein Boot zu sehen war. »Ich sehe nichts!«
    »Doch!«, stieß Harriet im nächsten Moment hervor. »Da ragt etwas aus dem Wasser . . . Etwas Dunkles . . . Rundes, wie der Rücken eines Wals! Und es kommt auf uns zu!«
    »Heilige Meerjungfrau, das ist kein Walrücken,

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