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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Miene sein Kunststück beendete, ohne dass jemand noch hinschaute, zog Byron auch schon mit aller Kraft am Seil. Sofort packte auch Alistair mit an. Und über die Schulter rief er Harriet zu: »Steck die Putzwolle in Brand und reiß das Fenster auf!«
    Auch ohne Alistairs Zuruf wusste Harriet, was sie zu tun hatte. Schon bei den ersten alarmierenden Schreien aus dem Saal hatte sie zum Eimer gegriffen. Hastig zündete sie ein Streichholz an und warf es in den Bleicheimer, der zur Hälfte mit Kienspänen und Putzwolle gefüllt war, die mit Petroleum getränkt waren. Eine Stichflamme schoss hoch. Harriet gab dem Feuer ein, zwei Sekunden Zeit, sich tiefer zu fressen, dann warf sie mehrere kurz geschnittene, faustdi cke Bündel feuchten Strohs auf die Flammen. Sofort setzte eine ge waltige Rauchentwicklung ein.
    »Feuer! . . . Feuer!«, brüllte Alistair mit gellender Stimme in den Saal hinunter, kaum dass die ersten dichten Rauchwolken hinter ihm aus der Zimmertür quollen. »Es brennt! . . . Rette sich, wer kann! Gleich steht das ganze Kasino in Brand!«
    Indessen bemühte sich Horatio verzweifelt, zu ihnen auf die Gale rie zurückzukommen. Byron hatte ihm viel Spiel mit dem Zugseil ge ben müssen, damit er bis zum Schaukasten gelangen konnte. Indem Byron und Alistair nun allzu kräftig an dem Seil zogen, geriet Horatio in eine Pendelbewegung hin zu den Stuhlreihen der Empore. Er prallte mitten in die dort aufspringenden Gäste und stieß gleich zwei von ihnen von den Beinen. Stühle polterten zu Boden und wildes Stimmengewirr setzte ein. Er pendelte wieder zurück, und während Byron und Alistair nun weiter am Seil zogen, schwang er wieder den Gästen auf der Empore entgegen, nur ein Stück höher.
    Zum Glück gellte in diesem Augenblick Alistairs Ruf durch das Kasino, dass Feuer ausgebrochen sei. Vermutlich rettete ihn das davor, dass einer der Männer nach seinen Beinen griff und ihn festhielt. Denn nun dachte jeder nur noch daran, so schnell wie möglich aus dem Spielsaal und zu den Booten zu kommen.
    Basil Sahar, der zu den Gästen auf der Empore gehört hatte, sprang die Stufen hinunter und brüllte dabei wie abgesprochen: »Raus! . . . Nichts wie raus! Das Kasino brennt bestimmt gleich wie Zunder!« Und damit stürzte er auch schon zum Ausgang, um auf die Hintersei te zu kommen, wo das große Kaik unter dem Fenster der provisori schen Garderobe für Harriet lag.
    Horatio zog sich auf dem Weg zurück auf die Galerie einige schmerzhafte Prellungen zu. Aber dann packten ihn die Hände sei ner Freunde, zogen ihn über das Geländer und befreiten ihn vom Seil.
    »Hast du es?«, fragte Alistair hastig.
    Horatio nahm die kleine Papierrolle aus den Zähnen. »Ja, hier ist es!« Schnell steckte er sie in eine seiner Westentaschen.
    »Jetzt aber nichts wie raus!«, drängte Byron. »Gleich ist hier oben die Hölle los!«
    Das Hanfseil, dessen Eisenhaken Harriet hinter die Kante des Fens terbretts gehakt hatte, hing schon an der Außenwand herunter. Den wild rauchenden Blecheimer hatte sie links vor die Tür auf die Gale rie gestellt. Kaum sah sie, dass Horatio heil wieder zurück war, als sie auch schon aus dem Fenster kletterte und sich am Seil hinunter rutschen ließ.
    Alistair, Horatio und Byron folgten ihr dicht auf den Fersen. Nur wenige Schritte und sie hatten das Kaik erreicht. Niemand schenkte ihnen Beachtung, denn jeder hatte nichts anderes im Sinn, als sich in Sicherheit zu bringen und in eines der Zubringerkaiks oder in ein Pri vatboot zu kommen.
    Kaum waren sie zu den vier Ruderern in das Kaik gesprungen, das bereit zum Ablegen war, als auch Basil Sahar auftauchte. Er hatte es so eilig wie die anderen, wenn auch aus völlig anderen Gründen. Doch seine Körperfülle ließ den Oberkörper dabei wie einen schweren Sack von rechts nach links schwanken, als wüsste er nicht recht, nach welcher Seite er nun umfallen sollte. Mit strahlendem Gesicht stampfte er heran. Er schien sich köstlich zu amüsieren. Mit einem unbeholfenen Satz war er bei ihnen im Boot, wo ihn sofort zwei kräftige Arme auffingen und verhinderten, dass er über Bord ging.
    »Los, legt euch in die Riemen!«, rief er der Besatzung zu, griff nach einem schon bereitliegenden großen Schlapphut, den er sich schnell auf den Kopf stülpte, und nach einem weiten dunklen Umhang, der sogleich seine auffällige Kleidung verbarg. »Was für eine vortreffli che Vorstellung! Man wird sich noch in Jahren an diesen kühnen Hu sarenstreich erinnern!«
    Welchen

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