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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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sich noch immer alles an Ort und Stelle befand. Aber er tat es dennoch.
    Er streifte die Gummibänder von der Weltgeschichte ab, schlug den Deckel auf und nickte zufrieden. Mitten in den passgenau ausge schnittenen Seiten lag ein kurzläufiger Revolver. Er nahm ihn heraus, wog ihn in der Hand und ließ die Trommel rotieren. Dann legte er ihn wieder zurück. Anschließend vergewisserte er sich, dass sich in einer ähnlichen Aushöhlung des kleineren Buches eine Schachtel Patronen verbarg.
    Als das getan war, holte er aus dem Wäschesack ein getragenes Oberhemd, breitete es auf der Platte des Sekretärs aus und legte die Bücher darauf. Dann griff er zum Honig und ließ gut die Hälfte aus dem Glas auf die Bücher tropfen, die er dabei einmal umwendete. Anschließend rieb er sie aneinander, damit die Deckel auch ordent lich klebrig wurden. Zufrieden mit seiner Arbeit schlug er beide Bü cher in das Hemd und knotete es über ihnen fest zusammen.
    Das sollte reichen, um die Zollbeamten in Ägypten davon abzuhal ten, sich näher mit den klebrigen Büchern zu beschäftigen. Eine möglicherweise unnötige Vorsichtsmaßnahme, auch wenn einge führte Waffen in Ägypten als Kontrabande galten und sofort konfis ziert wurden. Aber im Gegensatz zu anderen orientalischen Zollbe hörden stand die ägyptische unter europäischem Management. Und wer dort die Beamten mit einem Bakschisch zu bestechen versuchte, der konnte sich damit in ernste Schwierigkeiten bringen.
    Zwar hätte er sich einen Revolver auch in Kairo beschaffen können, aber diese lästige Mühe wollte er sich ersparen. Außerdem wusste man nie, was einem in einem finsteren Basarladen oder einer Ka schemme angedreht wurde. Und er musste sich bei dem, was er vor hatte, sowohl auf die Waffe wie auf das Pulver der Patronen blind verlassen können!
    Zwar befand sich noch eine zweite Waffe in ihrem Reisegepäck, um die er sich kümmern musste. Aber das hatte noch Zeit, bis er ge nau wusste, wie vorzugehen war.

Siebter Teil
    Das Zelt des Hirten

1
    D as ist sie also, die Stadt der 1000 Minarette, die von den arabi schen Völkern voller Bewunderung Masr-el-Kahira genannt wird, was zugleich ›Die Siegreiche‹ und ›Die Rächerin‹ bedeuten kann!«, sagte Byron und nahm das bunte orientalische Panorama der Stadt am Fuß des Mokkatamgebirges in sich auf.
    Ihr griechischer Dampfer Hellas war, nach vielen ermüdenden und zeitraubenden Zwischenstopps, am Morgen endlich in den Hafen von Alexandria eingelaufen. Von dort hatten sie den Zug nach Kairo genom men, der sie in knapp dreieinhalb Stunden entlang des Nil in die be rühmteste Metropole der arabischen Welt gebracht hatte. Und nun sa ßen sie in einer offenen Kutsche mit troddelgesäumtem Sonnendach, um sich vom Bab el-Hadid, dem Kairoer Hauptbahnhof im Nordwesten der Stadt, ins Zentrum zum Shepheard’s Hotel bringen zu lassen.
    »Ob nun die Siegreiche oder die Rächerin, mir ist jeder Name recht, solange nur die Sonne weiterhin so herrlich warm vom Himmel scheint«, sagte Alistair, während ihr Gefährt über die Brücke des Is mailiyeh-Kanals rumpelte und dann in den regen Verkehrsstrom auf dem breiten Boulevard Sharia Bab el-Hadria eintauchte.
    »Damit ist wohl zu rechnen«, sagte Harriet. »Es soll sogar noch hei ßer werden, wenn es stimmt, was uns der Zugschaffner erzählt hat.«
    »Das Wetter dürfte dann wohl das Einzige sein, was Kairo von Konstantinopel unterscheidet«, meinte Alistair. »Am Bahnhof dassel be Chaos der schreienden Gepäckträger, die sich gegenseitig die Koffer aus den Händen reißen. Und hier auf den staubbedeckten Straßen und Plätzen dasselbe ameisenhafte Gewimmel von turbantragenden Barfüßlern in Gewändern wie Nachthemden, die dasselbe fürchterliche Gelärme veranstalten.«
    »Das Wetter ist wohl nicht das Einzige, was die beiden Städte un terscheidet«, warf Byron milde gestimmt ein. »Und der Staub hier trägt den Stempel der nahen Wüste, mein Freund.«
    »Stimmt! Und außerdem treiben sich hier mehr britische Offiziere und Touristen herum, die mit Tropenhelmen aus Kork samt großem Nackenschirm und umgehängten Kartentaschen durch die Gegend spazieren, als wollten sie gleich zu einer Wüstenexpedition aufbre chen, um neue Pharaonengräber zu entdecken. Dabei steuern sie be stimmt nur die nächste Bar oder den nächsten Spielklub an!« Alistair grinste breit.
    Horatio schüttelte den Kopf. »Du bist ein Kulturbanause!«, sagte er streng. Doch dann lachte er. Und auch auf den

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