Die Judas-Papiere
sieht es mit dem Namen Mokattam aus. Der ist mir nämlich aus der arabischen Geschichte bekannt.«
»Und was ist der Mokattam?«, fragte Horatio erwartungsvoll.
»Ein Gebirgszug in Ägypten, dessen Ausläufer bis an die Stadt Kairo heranreichen!«, teilte Byron ihnen mit.
»Wüste und Ägypten, das passt doch wie die Faust aufs Auge!«, rief Alistair. »Es geht also nach Kairo! Damit bin ich sehr einverstanden. Dürfte nicht zu schwer sein, von Saloniki eine Passage nach Ägypten zu bekommen.«
»Schön und gut, unser nächstes Ziel kennen wir jetzt«, sagte Hora tio. »Bleibt aber immer noch die Frage, was die drei anderen rätsel haften Angaben bedeuten sollen.«
»Cooknomaden, das können doch Touristen sein, die sich von der Agentur Thomas Cook ihre Reise nach Ägypten zusammenstellen und organisieren lassen!«, kombinierte Harriet.
»Richtig! Das ist es!«, stimmte Horatio ihr zu. »Und da die sehr be tuchten und verwöhnten Kunden von Thomas Cook sicherlich nicht in einem Nomadenzelt Quartier nehmen, kann mit dem Nobelzelt doch nur ein feudales Hotel in Kairo gemeint sein!«
Byron nickte. »Darauf tippe ich auch. Fragt sich nur, welches Morti mer damit gemeint hat.«
»In Saloniki können wir vielleicht irgendwo einen Reiseführer für Ägypten kaufen«, sagte Harriet zuversichtlich. »Da werden wir die Hotels der ersten Klasse in Kairo aufgelistet finden und dann hof fentlich auch auf einen Hinweis stoßen, was mit dem goldenen Buch der Eitelkeit eines gewissen Samuel gemeint sein könnte!«
»Bleibt also nur, hier bis zum Ende dieser verdammt kalten Nacht auszuharren und zu hoffen, dass wir auf diesem elenden Mönchsfel sen nicht zu lange auf den nächsten Dampfer nach Saloniki warten müssen«, sagte Alistair und rieb sich frierend die Arme. »Ich kann es nicht erwarten, mir die heiße Wüstensonne auf den Bauch scheinen zu lassen und endlich zu erfahren, wo Mortimer dieses Judas-Evan gelium versteckt hat!«
8
W olkenlos und wie eine tiefblau glasierte Keramikschüssel wölbte sich der Himmel über das türkische Rhodos, jene Insel, auf der man auf Schritt und Tritt auf die architektonische Hinterlassenschaft der zweihundertjährigen Herrschaft des Johanniterordens stieß. Der warme Schein der Sonne lag auf der stark befestigten Hafenstadt mit dem Fort St. Nikolas, das sich am Ende einer sich nach Westen erstreckenden Halbinsel erhob.
Die Wärme tat Arthur Pembroke gut. Seit das nasskalte Wetter Englands hinter ihm lag und er mit Trevor Seymour auf der Insel im Süden des Ägäischen Meers eingetroffen war, hatte ihn seine Gicht nicht ein einziges Mal in den Rollstuhl gezwungen.
Dennoch trug sein Gesicht einen grimmig verkniffenen Ausdruck, als er von seinem nachmittäglichen Spaziergang zum Hafen durch das Katharinentor in die Stadt zurückkehrte. Nicht einmal die Tatsa che, dass er im Schiffskontor der Reederei Messageries Maritimes eine noch recht aktuelle englischsprachige Zeitung aufgetrieben hatte, vermochte seine Stimmung wesentlich zu heben.
Mit seinem Spazierstock trieb er drei einheimische Wasserträger vor sich aus dem Weg, die mitten auf der Basarstraße stehen geblie ben waren und laut palaverten. Ihre Entrüstung darüber, dass er sie wie Esel zur Seite scheuchte, kümmerte ihn nicht. Er hatte auch kein Auge für die prächtige Suleiman-Moschee, die im Westen am Ende der Basarstraße aufragte und mit ihrer Kuppel das warme Licht der Sonne auffing. Mit mürrischer Miene und voll innerer Unruhe, weil Janus sich immer noch nicht gemeldet hatte, stiefelte er durch den Dreck der Straße zurück zu seinem Hotel. Das nächste Telegramm hätte schon längst eingetroffen sein müssen. Doch wann immer er Trevor zum Telegrafenamt schickte, und das tat er mehrmals am Tag, kam dieser mit leeren Händen zurück.
War etwas vorgefallen, das Janus daran hinderte, ein Kabel an ihn aufzugeben? War seine Rückantwort vor ihrer Abreise aus England nicht mehr rechtzeitig in Bukarest eingetroffen? Oder musste er gar befürchten, dass Janus ihm so kurz vor dem Ziel den Dienst aufkün digte?
Letzteres erschien ihm jedoch am unwahrscheinlichsten, da er sich gegen diese Möglichkeit gut abgesichert hatte. Vor allem durch den Besitz jenes Briefes, den Janus ihm damals geschrieben hatte und der für zehn, fünfzehn Jahre Gefängnis gut war, wenn er ihn der Polizei übergab. Andererseits musste man bei der Suche nach dem Judas-Evangelium wohl mit allem rechnen, sogar mit Verrätern unter dem eigenen Dach.
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