Die Judas-Papiere
des Concierges.
»Ist doch klar, dass wir den heutigen Nachtzug nehmen, oder?«, vergewisserte sich Alistair.
»Wenn wir für den Zug noch Schlafwagenabteile bekommen, sehe ich nichts, was dagegen spräche«, meinte Byron, den es ebenso drängte, zum Oberlauf des Nil zu kommen.
»Am besten erkundigst du dich gleich drüben bei Thomas Cook, ob in dem Zug noch etwas frei ist«, schlug Alistair vor. »Kauf auch gleich die Tickets. Ich spaziere indessen in den nächsten Basar und besorge uns eine kleine Archäologenausrüstung.«
»Und was soll das sein?«, fragte Horatio verwundert.
»Eine Petroleumlampe haben wir ja noch. Aber ich denke, ein paar grobe Werkzeuge wie Schaufel, Spitzhacke, Stemmeisen und viel leicht auch ein Seil könnten unter Umständen ganz praktisch sein«, meinte Alistair grinsend. »Mortimer wird die Papyri bestimmt nicht auf einem Präsentierteller für uns hinterlegt haben.«
Byron zuckte die Achseln. »Ja, du hast recht. Es kann jedenfalls nicht schaden, diese Sachen notfalls gleich zur Hand zu haben.«
»Gut, kümmert ihr euch um diese Dinge. Wenn es euch nichts aus macht, werde ich die Zeit nutzen, um mir einen anständigen Frisör empfehlen zu lassen, der mir die Haare schneidet«, sagte Harriet. »Wird nämlich höchste Zeit.«
»Ist mir gar nicht aufgefallen«, sagte Byron. Er war ein wenig ent täuscht, denn es wäre ihm lieber gewesen, er hätte wieder einige Stunden allein mit ihr verbringen können.
»Vielleicht dauert es ja gar nicht lange«, tröstete sie ihn. »Mit ein bisschen Glück brauche ich nicht zu warten und komme gleich dran. Dann bin ich in spätestens zwei Stunden zurück.«
Auch Horatio hatte noch etwas vor. »Und ich gehe noch mal mit meinem Skizzenbuch auf einen Sprung ins Ägyptische Museum. Von der Ausstellung habe ich bisher erst einen Bruchteil gesehen. Wer weiß, wann ich wieder mal nach Kairo komme.«
So war also jeder für die nächsten Stunden gut beschäftigt, Byron vielleicht einmal ausgenommen. Aber er hoffte, dass er nicht allzu lange auf Harriet warten musste. Und bis zu ihrer Rückkehr wollte er sich, wenn er ihre Zugreservierung in der Reiseagentur Cook erledigt hatte, noch einmal mit Mortimers Niluferzeichnung beschäftigen.
Sie verabredeten, sich alle spätestens zur Zeit des High-Tea wieder im Shepheard’s einzufinden.
Und keiner von ihnen bemerkte, dass sich währenddessen der Per fectus in ihrem Rücken aufhielt und sie beobachtete.
4
G raham Baynard saß in einem tiefen Sessel neben einer der dicken Säulen, die gut in einem kleineren Pharaonentempel hätten stehen können. Er gab sich den Anschein, in einer englischen Tageszeitung zu lesen. In Wirklichkeit beobachtete er mit höchster Aufmerksam keit das Kommen und Gehen der Gäste.
Von seinem Sitzplatz aus hatte er einen guten Blick auf alles, was sich in der Hotelhalle des Shepheard’s tat. Von dort konnte er sowohl den Treppenaufgang und den elektrischen Fahrstuhl im Auge behal ten als auch den Hoteleingang und den Empfang.
Seit seinem Eintreffen in Kairo hätten selbst seine einstigen Or densbrüder Tenkrad und Breitenbach ihn kaum wiedererkannt. Er hatte seinen Bart wachsen lassen, der im Laufe der vergangenen Woche kräftig gesprossen war, und ihn an den Kanten akkurat getrimmt. Eine halblange Perücke verbarg den kurzen Bürstenhaarschnitt mit den markant ausrasierten Schläfenpartien. Und auf der Nase saß eine jener Sonnenbrillen mit runden grün getönten Gläsern, die sich bei Ägypten-Touristen größter Beliebtheit erfreuten. Dazu trug er einen hellen khakifarbenen Sommeranzug, wie er augenscheinlich vielen europäischen Besuchern als Reisegarderobe in diesen Breiten unverzichtbar erschien. Natürlich durften auch die Kartentasche am breiten Ledergürtel und der Tropenhelm mit seinem herunterhängenden Nackenschutz nicht fehlen.
Der Perfectus war sicher, dass seine Tarnung jedem Blick standhal ten würde. Auf Arthur Pembrokes Leute traf das erst recht zu. Die vier hatten ihn ja nur in der Zisterne im schwachen Licht der Petro leumlampe zu Gesicht bekommen. Selbst die Frau hatte keine Gele genheit gehabt, ihn eingehend zu studieren. Erst war sie lange vom Chloroform betäubt gewesen und dann hatte er ihr die Augen bis zum Eintreffen in der Zisterne verbinden lassen. Vermutlich könnte er direkt neben ihnen stehen, ohne dass die vier bemerken würden, wer er war.
Seit seinem Eintreffen in Kairo waren seine Tage damit ausgefüllt gewesen, zwischen den wenigen Hotels
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