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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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machen.
    Worauf Alistair McLean nun das Schweigen der vier brach und antwortete: »Die gemeinsame Kutschfahrt hat bei keinem von uns zu dem heftigen Verlangen geführt, die nähere Bekanntschaft des einen oder anderen Mitreisenden zu machen! Oder sehen Sie das vielleicht anders, Mister Bourke?«
    »Ich sehe das als die erste vernünftige Äußerung von Ihnen, seit wir uns kennen«, gab Byron zur Antwort.
    Lord Pembroke lachte amüsiert auf. »Nun ja, nicht alle Ehen wer den im Himmel geschlossen, Gentlemen! Was die Vernunft zusam menführt, dem ist oft mehr Bestand und Erfolg beschieden als einem Bund aus gefühlsseliger Harmonie.«
    Er machte eine kurze Pause und blickte wieder lächelnd in die Run de. Doch seine dunklen, kleinen Augen blieben von dem Lächeln sei nes Mundes völlig unberührt.
    »Da Sie alle einander noch sehr fremd sind, wird es mir gleich ein Vergnügen sein, die gegenseitige Vorstellung vorzunehmen und zu je dem von Ihnen einige Sätze zu sagen, die Ihr bisheriges Leben in aller gebotenen Kürze, aber doch sehr prägnant beschreiben dürften!«
    »Ich wüsste nicht, wozu das gut sein sollte!«, meldete sich Horatio Slade sofort zu Wort. »Was geht die anderen Anwesenden mein Le ben an, Sir?«
    Harriet Chamberlain lachte kurz und grimmig auf, als ahnte sie die Antwort und wüsste, dass sie keinem von ihnen gefallen würde.
    Irritiert von ihrem Auflachen warf Byron ihr einen flüchtigen Blick zu, pflichtete dann aber Horatio Slade mit einem Nicken bei und klei dete seinen eigenen Protest in die gedrechselte, diplomatische For mulierung: »Auch mir entziehen sich der Sinn und die Notwendigkeit einer solchen gegenseitigen Vorstellung! Und ich halte sie weder für wünschenswert noch für taktvoll, Lord Pembroke!« Der Einspruch er schien ihm angebracht, aber er durfte nicht so maßlos ausfallen, dass er damit die Offerte Seiner Lordschaft, ihm die wertlose Beteiligung an der Mine zum ursprünglichen Preis abzukaufen, in Gefahr brachte.
    »Das sehe ich anders, Mister Bourke«, entgegnete Lord Pembroke, »und ich habe meine Gründe dafür, die zweifellos auch einem jeden von Ihnen einsichtig sein werden, wenn wir erst zum Kern unseres Zusammentreffens gekommen sind!«
    Mit einer sichtlich ungeduldigen Bewegung drückte Alistair McLean seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Herrgott, worauf warten Sie dann noch? Wer hindert Sie denn daran, ohne langes Geschwätz und sonstige Umschweife zum Kern der Angelegenheit zu kommen, Eure Lordschaft? Wäre wahrlich nicht schlecht, wenn Sie endlich mal Ihre Karten aufdecken und uns sagen würden, wa rum Sie uns eingeladen haben, was im Pot liegt und ob Sie sauber oder mit gezinkten Karten spielen!«
    »In der Tat!«, knurrte Horatio Slade. »Manches riecht mir allmählich wie fauler Zauber! Und damit meine ich nicht nur diese überquellen de Kuriositätensammlung mit dem deutlichen Hang zum Schaurigen und Nekrophilen, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben!«
    »Sie haben recht, Gentlemen, die Welt hier im Westflügel ist in der Tat reichlich gewöhnungsbedürftig«, stimmte Lord Pembroke ihm zu. »Ich für meine Person halte sie sogar für weit jenseits von dem, woran sich ein geistig gesunder Mensch noch gewöhnen kann, ohne Schaden zu nehmen. Deshalb werden Sie auch kaum überrascht sein, wenn ich Ihnen jetzt verrate, dass diese schauderhafte Samm lung das Werk eines gestörten Geistes ist. Eines immer mehr dem Wahnsinn verfallenden Mannes, der fast drei Jahrzehnte lang rastlos durch die Welt gereist ist, sich sowohl für einen begnadeten Groß wildjäger und Kartenspieler als auch für einen gelehrten Forscher und Archäologen gehalten hat.«
    »Ein weltreisender Irrer hat sich hier ausgetobt? Na, das erklärt so einiges!«, meinte Horatio Slade trocken.
    »Und wer war dieser Mann?«, wollte Byron wissen.
    »Mein drei Jahre älterer Bruder Mortimer, der sich im Zustand geis tiger Umnachtung und von Wahnvorstellungen gequält im Januar letzten Jahres das Leben genommen hat!«, eröffnete ihnen Lord Pem broke.
    »Hatten Sie nicht noch einen zweiten älteren Bruder?«, fragte By ron in Erinnerung dessen, was er im englischen Adelsregister über das Geschlecht der Pembrokes gelesen hatte.
    Arthur Pembroke nickte. »Ja, Wilbur. Er war der älteste von uns drei Brüdern. Er ist aber schon fast acht Jahre tot.« Er zögerte kurz, bevor er hinzufügte: »Ein tragischer Jagdunfall kostete Wilbur das Leben!«
    »Und dann hat also auch noch Mortimer mit seinem Selbstmord

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