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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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den Weg für Sie als letzten männlichen Erben und Herrn von Pem broke Manor freigemacht!«, merkte Harriet Chamberlain spitz an. »Wozu doch ein irrer Selbstmörder in der Familie, zumal wenn er in der Erbfolge vor einem steht, gut sein kann!«
    Lord Pembroke starrte sie kurz mit einem stechenden Blick an, während seine rechte Hand das Glas so fest umklammerte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er ihr eine scharfe Antwort erteilen. Doch dann setzte er sein Glas mit einem Ruck an die Lippen und leerte es auf einen Zug. Mit dem Single Malt spülte er offenbar seinen Zorn hinunter. Jedenfalls ging er auf Harriet Chamberlains bösartige Bemerkung mit keinem Wort ein.
    »Das mit ihrem verrückten Bruder Mortimer ist ja schön und gut«, sagte nun Alistair McLean. »Aber das erklärt immer noch nicht, aus welchem Grund Sie uns hier zusammengebracht haben!«
    »Die Erklärung dazu werden Sie später erhalten, Mister McLean«, erwiderte Lord Pembroke. »Sie dürfen jedoch versichert sein, dass nichts von dem, was ich Ihnen allen heute Abend zumute, aus Gedan kenlosigkeit geschieht. Alles hat seinen tiefen, wohlbedachten Grund. Und so haben auch dieser unangenehme Salon und das angrenzende Esszimmer, wo wir gleich das Dinner einnehmen werden, ihre Bedeutung. Diese Räumlichkeiten werden Ihnen nämlich ein besseres Verständnis für das Ganze ermöglichen, um das es hier geht!«
    »Besseres Verständnis?« Horatio Slade schüttelte den Kopf und sagte voller Verdruss: »Von wegen! Ich verstehe mit jedem Augen blick weniger als vorher! Mag der Teufel wissen, worum es hier ge hen soll!«
    Byron sah es ebenso, auch wenn er es anders ausdrückte. »Ich muss Mister Slade beipflichten. Auch mir scheint sich das Rätselhafte eher zu vertiefen, als dass Ort und Umstände dieses Zusammentref fens allmählich einen nachvollziehbaren Sinn ergeben!«
    Lord Pembroke zeigte sich unbeeindruckt von diesen Einwänden. »Sie werden sich schon auf mein Wort verlassen müssen, dass all dies sehr wohl einen Sinn ergibt, Gentlemen! Also üben Sie sich ein wenig in Geduld und überlassen Sie es mir, wie ich Sie ins Herz dieser Ange legenheit führe! Andernfalls müsste ich Sie nämlich daran erinnern, dass keiner von Ihnen aus uneigennützigen Motiven Gast auf Pem broke Manor ist und dass gewisse Vorleistungen von mir erbracht worden sind. Vorleistungen, deren definitiver Status noch für alle von Ihnen in der Schwebe hängt, wie ich betonen möchte, für die ich aber jetzt schon ein gewisses Maß an Kooperation erwarten kann!«, entgegnete er und sein anfänglich freundlicher Tonfall war einer un überhörbaren Härte und Schärfe gewichen.
    Die angedeutete Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht. Statt weiterer Proteste herrschte auf einmal betretenes Schweigen in der Runde. Jeder vermied den Blick des anderen. Byron starrte auf den Aschekegel seiner Zigarre, als wäre der auf einmal von besonderem Interesse; Horatio Slade stocherte mit grimmiger Miene in seiner Pfeife herum; Alistair McLean griff zu seiner Packung Gold Flake- Ziga retten und Harriet Chamberlain spielte mit dem kleinen goldenen Kruzifix, das sie als Anhänger an einem dünnen Goldkettchen um den Hals trug, während sie scheinbar wie gebannt zu den Fledermäusen hochstarrte.
    Arthur Pembroke schien diese betretene Stille zu genießen, denn er ließ mindestens zehn, zwölf lange Sekunden verstreichen, wäh rend er gemächlich die letzten Tropfen Single Malt auf seine Zunge rinnen ließ.
    »Beginnen wir den kurzen Reigen der Vorstellung mit Miss Harriet Chamberlain«, brach er schließlich das unangenehme Schweigen. »Ihre Mutter war von adligem Geblüt und hatte auch eine standesge mäße Erziehung genossen . . .«
    »Lassen Sie gefälligst meine Mutter aus dem Spiel!«, zischte Harriet Chamberlain, die sich augenblicklich im Sessel steif aufgerichtet hat te, und funkelte ihn mit unverhohlener Abscheu an.
    Arthur Pembroke fuhr ungerührt fort: »Bedauerlicherweise muss in ihren Adern auch ein gehöriger Schuss von jenem schlechten Blut geflossen sein, das sich in jedem noch so edlen und ruhmreichen Adelsgeschlecht finden lässt. Zudem hatte sie keine Kontrolle über die Schwachheit des Fleisches und ihre Sündhaftigkeit, zumal das weibliche Geschlecht ja schon von Natur aus eine starke Neigung in diese Richtung aufweist. So kam es, dass sie vor nicht ganz zweiundzwanzig Jahren mit einem gewöhnlichen Schausteller durchbrannte und sich

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