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Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)

Titel: Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott McBain
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nicht, dass er sich angesteckt hatte, oder es war ihm egal. Tiziano brachte dann die Amerikaner und Martinelli dazu, den Virologen zu ermorden, um die Spuren zu verwischen. Doch wie bei allen verbrecherischen Vorhaben war die Sache nicht nach Plan gelaufen. Tiziano hatte geglaubt, er könne das Böse beherrschen – wie es alle Menschen hin und wieder glauben –, doch er konnte es nicht. Der Impfstoff? Er hatte sich als unwirksam erwiesen. Die Herren der Welt, die Herren von nichts.
    Martinelli kletterte auf die Mauer. Unter ihm ging es von einer hohen Felsklippe zwanzig Meter in die Tiefe. Er überlegte. Ihm war alles geschenkt worden: eine reiche Frau, die ihn einst geliebt hatte, ein Sohn und Erbe, eine Reihe schöner Geliebten, großer Reichtum und die Präsidentschaft seines Landes. Doch es war ihm gelungen, alles mit seiner Gier und seinen Gelüsten zu verderben. Jetzt bekam er den gerechten Lohn dafür. Das Böse, das er in die Welt entsandt hatte, kehrte zu ihm zurück – und es war ein Kelch, der zu bitter war, als dass er daraus trinken konnte. Tiziano. Wie konnte sein Jugendfreund, sein Busenfreund, sein intimster Vertrauter, ihn nur auf diese Weise verraten? Martinelli schluchzte. In der Tat, Judas hatte gelebt. Völlig verstört stieß er sich ab.
    Minuten später erschien ein Hubschrauber am Himmel. Als der Pilot landete, rannte er zur Mauer und blickte nach unten. Voll Entsetzen sah er einen geschundenen Leichnam. Er war zu spät gekommen. Er brachte eine dringende Nachricht von der Privatsekretärin des Ministerpräsidenten: Der Geheimdienstchef Tiziano Ugolini war am Virus erkrankt, und es gab niemanden sonst in Rom, der die Regierungsgeschäfte übernehmen konnte. Sie brauchten den Ministerpräsidenten in der Hauptstadt.

59
    Israel, wenn auch dein Volk so zahlreich ist wie der Sand

am Meer – nur ein Rest von ihnen kehrt um.

Die Vernichtung ist beschlossen,

die Gerechtigkeit flutet heran.
    Jesaja 10,22
     
    P ater Jussef erhob sich von seinem Bett. Er hatte verschlafen. Weil die Fenster mit Holzbrettern verbarrikadiert waren, drang kaum ein Lichtschein in sein Zimmer. Seine Uhr sagte ihm, dass es acht sein musste; aber er hätte schwören können, dass es zwei Stunden früher war. Nachdem er sich angezogen hatte, trat er auf den Flur im Obergeschoss des Seminargebäudes.
    »Hassan?«
    Er klopfte an die Zimmertür seines Freundes. Hassan war eiserner Frühaufsteher, darum wunderte sich Jussef, dass er ihn noch nicht gehört hatte.
    »Pater Hassan?«
    Die Tür neben Jussefs Zimmer öffnete sich. Miriam erschien. Sie war angezogen.
    »Pater Hassan!« Er pochte an die Tür – laut, beunruhigt.
    »Warten Sie«, sagte Miriam im Näherkommen. Sie öffnete die Tür und betrat Hassans Zimmer. Fast augenblicklich kam sie wieder heraus.
    »Er ist gestorben.«
    »Gestorben?«
    »Ja. Manchmal rafft die Seuche die Menschen einfach dahin. Es ist am besten so. Kommen Sie und essen Sie etwas!«
    Sie geleitete den Priester über den schmalen, schmuddeligen Flur, und sie betraten einen Raum, der als provisorische Küche genutzt wurde. Während sie Tee bereitete, brach er in Tränen aus. Miriam blieb gelassen; sie hatte das in den vergangenen Wochen schon zu oft erlebt: dass Menschen, die einem nahestanden, starben, ohne Lebewohl zu sagen. Verwandte, die sich ins Bett legten und am Morgen nicht mehr aufstanden.
    »Wir waren Freunde – seit vierzig Jahren.«
    Schließlich beruhigte sich Jussef, und sein Zittern ließ nach. Er war verloren. Er war zu seiner Kirche zurückgekehrt in der Erwartung – in dem Wunsch –, dass alles so wäre wie früher. Aber seine kleine Welt, die gab es nicht mehr.
    »Was machen wir jetzt?«
    »Wir können aufs Dach steigen. Es wäre unklug, das Kirchengelände zu verlassen.«
    Sie nahmen ein improvisiertes Frühstück ein: Konserven aus der Speisekammer. Miriam verschwieg ihm, dass sie kaum noch Vorräte besaßen. Nach dem Essen holte sie eine Leiter aus ihrem Zimmer und stellte sie unter eine Dachluke am Ende des Flurs. Sie stiegen aufs Dach.
    »Nicht aufrichten!«, ermahnte sie ihn. »Die Kriminellen könnten uns sehen. Sie ziehen durch die Straßen.« Jussef kroch zum Rand des Dachs und spähte über die Brüstung. Er sah die Bäume entlang des Zauns um das Kirchengelände, die Blechdächer kleiner Werkstätten und dann, weiter weg, Wohnblocks, aber keine Anzeichen von Leben. Trotzdem: Hier auf dem Dach zu sein war besser, als allein im Zimmer zu sitzen. Er fühlte

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