Die Judas-Verschwörung: Mysterythriller (German Edition)
liegen und zogen los, um ihr Opfer zur Strecke zu bringen.
Allein in der Dunkelheit spürte Jussef, wie das Lebensblut aus ihm heraussickerte. Gleichzeitig schwebte er zwischen der menschlichen und der spirituellen Welt. Er wandelte in dem Wald, den er einmal mit Josua aufgesucht hatte. Auf dem Boden liegend, sah Jussef, dass dieser mit Juwelen bedeckt war. Er war sein Leben lang Priester gewesen – kein besonders guter –, und jetzt wurde von ihm verlangt, zu praktizieren, was er predigte. Er streckte sich, nahm die Steine der Herrlichkeit in die Hand. Was würde geschehen? Welche Krone würde er bei seiner Himmelfahrt tragen? Die Rubine der Nächstenliebe, die Smaragde der Liebe, die blauen Saphire der Geduld? Er hob einen großen Brillanten auf, dann noch einen und noch einen. Die Brillanten der Gnade – er vergab seinen drei Mördern, während sie ihn ermordeten.
Jussef verließ seinen Körper und die Erde und gelangte vor das Tor eines Schlosses. Das Tor war verschlossen. Diesmal jedoch ging er mühelos hindurch.
* * *
Nachdem sie Jussef den Schlüssel entrissen hatten, schlossen die Räuber erwartungsfroh die äußere Stahltür des Seminargebäudes auf. Trunken vom Bösen, stiegen sie die Treppe nach oben. Der Rädelsführer verkündete laut, was er mit der Frau anstellen werde, die früher einmal seine Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte. Und seine Freunde sollten an seiner Rache teilnehmen. Mit manischem Entzücken rissen die drei die Stahltür zum Obergeschoss auf und liefen über den Flur. Als sie Miriam in keinem der Zimmer fanden, entdeckten sie die Leiter, die zum Dach führte. Sie stiegen hinauf, siegessicher. Die selbstvergessenen Diener des Teufels beeilten sich, ihre Arbeit zu verrichten.
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Ihr ausgetrockneten Gebeine, hört das Wort des Herrn!
So spricht Gott der Herr zu diesen Gebeinen:
Ich selbst bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig.
Hesekiel, 37,4
I m Kloster des heiligen Antonius standen nur zwei Personen in der Kapelle, um die Abendmesse zu feiern. Alle anderen Mönche hatte diese Welt verlassen – um sich auf die spirituelle Schlacht vorzubereiten. Normalerweise war es kalt. An diesem Abend war es jedoch eisig; unnatürlich kalt. Auf das Beharren des jungen Mönchs hin standen die beiden weit auseinander im
khurus
, denn Ersteren plagte ein schlimmer Husten. Nach dem Gottesdienst sagte er: »Spar dir die Mühe, mich zu beerdigen, lass mich einfach in der Zelle! Es gibt genug Essen für vier, vielleicht fünf Tage. Öffne niemandem die Tore. Es werden keine Menschen sein.«
Josua nickte stumm. Er litt große Schmerzen, aber an seinem Körper zeigten sich keine Male, abgesehen von der Wunde am Fuß, die nicht mehr blutete. Wie lange würde er noch leben? Einen Tag? Zwei?
»Da du der Letzte bist, muss ich dir etwas sagen«, erklärte der junge Mönch. »Der Abt hat uns angewiesen, es dir zu enthüllen, solltest du als Letzter überleben. Es geht um das Grab des heiligen Antonius.«
»Das Grab? Pater Theodore hat mir gesagt, dass es niemand gefunden hat.«
»Das ist richtig«, sagte der Mönch. »Das Grab wurde nie entdeckt. Viele glauben, dass es sich hier in dieser Kapelle befindet, aber das stimmt nicht. Es wurde sorgfältig versteckt, damit es nicht von Grabräubern und anderen gestört wird. Der Abt hat uns gesagt, dass es in der Nähe des Brunnens liegt. Wenn die Attacken Satans am schlimmsten werden, Josua, gehe dorthin! Der heilige Antonius wird dir helfen. Unsere Gedanken und Gebete waren bei dir; sie werden bei dir bleiben.«
Und damit begann er, die Kerzen auf dem Altar auszublasen. Er verneigte sich davor und drehte sich um. »Adieu, wir werden uns wiedersehen – an einem Ort, an dem das Böse und das Leid nicht wohnen.«
Josua hörte nicht, wie die Tür zugeschlagen wurde. Er blieb eine Zeitlang im Gebet versunken und verließ dann die Kirche. Draußen herrschte eine große Kälte. Sie drang durch seine Kutte und ließ ihn heftig frösteln. Während er zu seiner Mönchszelle ging, blutete sein linker Fuß stark. Jetzt begann auch Blut aus seiner rechten Hand zu fließen. Die Reise ging weiter und weiter. Als er aufblickte, stand er am Brunnen. Was mache ich hier?, dachte er. Es gibt keine Umkehr. Kopfschüttelnd begab er sich zurück zu seiner Zelle. Doch als er wieder hochsah, stand er vor der Kirche. Sorgfältig setzte er im Dunkeln einen Fuß vor den anderen und tastete nach dem Türriegel seiner Zelle. Stattdessen berührte seine
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