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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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Denn ich weiß, was bevorsteht, Vater, und meine Hände sind schon ausgestreckt für das Werk. Mir ist, als ob mit Sürich Sperling die ganze christliche Religion gestorben wäre, oder vielleicht nur der böse Geist in diesem Volk, durch den es hassen mußte und Blut vergießen und wußte nicht warum und war selber gequält dadurch. Nimm dein Leben wieder, trag es froher, preß es an die Brust, glaube mir, daß du schuldlos bist!«
    Elkan Geyer hatte sich erschrocken aufgerichtet und ihm war, als sähe er seines Sohnes Gesicht in der Dunkelheit leuchten. Dann ächzte er plötzlich schwach auf und verlor das Bewußtsein. Agathon rief nach Licht.
    In ruhigem Fall sank der Schnee, bisweilen glitzernd und gleißend im Lichtstrom eines Fensters, als Agathon am späten Abend noch umherwanderte. Er begegnete Stefan Gudstikker in der Nähe der Ziegelei und wich ihm aus. Er hatte keine Sympathien mehr für Gudstikker, der zu den Menschen gehörte, die bei ihren Versicherungen stets die Hand auf das Herz legen. Auch hatte er die Gewohnheit, wenn er mit einem Menschen in Streit gelegen, dem andern einen langen Brief zu schreiben, voll von advokatischen Wendungen und rätselhaften Andeutungen auf Ewiges, Zukünftiges und Unveränderliches, – Lügenworte, Verlegenheitsworte. Er liebte die eigene Melancholie, prahlte gern vor Unkundigen, verriet die Pläne zu seinen Arbeiten jedermann in überschwenglichen Schilderungen und Prophezeiungen, schimpfte über alles Große und Anerkannte, sofern es von Lebenden ausging, erhorchte aber dabei stets des Zuhörers Meinung vorher, der er entweder, wenn es sein Vorteil heischte, beipflichtete, oder sie in einem hinterlistigen Feldzug besiegte. All das wußte Agathon, wenn er auch neben diesem Neid, dieser Verbitterung und Großmannssucht einen hohen Zug gewahrte, durch den Gudstikker fähig war, das wirklich Große zu verstehen und sich ihm hinzugeben.
    Als Agathon am Haus der Frau Olifat vorbeiging, sah er einen helleren Lichtschimmer als sonst aus den Fenstern strahlen. Er stieg auf einen an der Straße liegenden Quaderstein und erblickte ein Bild voll Frieden. Monika saß am Klavier in einem alten, blauen Kleid, das die Arme entblößt ließ, und sie spielte in einer schweren, langsamen, tragen Art, das Gesicht nach oben gewendet, wie wenn sie einer oft gehörten und nun vergessenen Melodie nachhinge. Ihre sonst so geschwätzige Mutter schien stumm und sah aus, als ob sie ihr ganzes Leben an sich vorbeiziehen ließe. Agathon wandte sich ab und blickte in die finstere Landschaft. Er war bewegt. Ziellos ging er weiter, – zur Höhe. In der Luft hing eine Fülle feinen Schneestaubs. Bald kamen die Tannen und eine furchtbare Finsternis brütete zwischen ihnen. Fern im Norden sah er den Lichtschein über Nürnberg. Als er dann wieder umkehrte, gewahrte er den Kirchturm des Dorfes wie eine drohende Nachtgestalt.
    Wieder ging Agathon vor das Olifatsche Haus, wieder starrte er nachdenklich zu den Fenstern empor und entschloß sich endlich, trotzdem es schon elf Uhr geschlagen hatte, hinauszugehen.
    Frau Olifat, eine unansehnliche Dame, die beständig etwas einfältig lächelte und von ihrer großen Vergangenheit zu erzählen liebte, lag auf dem Sofa und las. Monika spielte mit ihrer kleinen Schwester Ball. Sie saß auf einem Schemel, fing den Ball auf oder warf ihn fort, beides mit gleichgültiger Gebärde und ohne die Richtung ihres in der Ferne weilenden Blickes zu ändern.
    Agathon setzte sich zu ihr auf einen zweiten Schemel, stützte den Kopf in die Hand und den Arm aufs Knie und betrachtete Monikas Hände, die weiß und sein waren, mit schlanken Fingern und blassen Nägeln. An der Linken trug sie einen spiralförmig gewundenen Ring, der nur locker saß, und den sie bei jeder Bewegung mechanisch zurückschob. Jede Bewegung selbst schien nur mechanisch, oft sanken die Hände matt in den Schoß und blieben müßig liegen, selbst wenn der Ball schon durch die Luft flog; dann legte sie den Kopf zur Seite und ließ ihn an sich vorbeisausen. »Esther muß jetzt zu Bett,
il est tard,
« rief Frau Olifat, aber die Mädchen achteten nicht darauf und begannen ein anderes Spiel. Monika setzte sich auf die Erde und legte zwanzig Spielkarten rund um sich herum. Nun sollte Esther mit verbundenen Augen die Herz-Dame suchen. Ein seltsames Spiel, um so mehr, als Monika dabei fortwährend lächelte und gespannt auf die Karten sah; ihr Lächeln hatte etwas von dem einer Wahnsinnigen.
    »Warum bist du so

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