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Die Juden von Zirndorf

Die Juden von Zirndorf

Titel: Die Juden von Zirndorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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eifrig beim Spiel, Monika?« fragte Agathon, eigentümlich bewegt.
    Sie richtete ihre Augen trotzig und verwundert auf ihn. Dann sagte sie: »Wenn du die Dame erwischst, darfst du mich schlagen, Esther.«
    Sie legte sich mit dem ganzen Körper auf die Dielen, streckte die Arme über sich hinaus und schloß die Augen.
    Als Agathon sich verabschiedete, folgte ihm Monika mit einem kleinen Lämpchen in den Flur. Doch ein starker Zugwind schlug ihnen entgegen und löschte das Licht aus. Eine kurze Zeitlang standen sie unschlüssig im Dunkeln, noch geblendet vom Licht des Zimmers, dann konnten sie einander sehen und fanden, daß es gar nicht finster sei. Indes Agathon an der Treppe gute Nacht sagen wollte, lehnte sich Monika weit über die Brüstung und er sah ihre wilden Augen leuchten. Er streckte beide Hände nach ihr aus und wußte nicht, wie er sie plötzlich ganz in den Armen hielt und seine Lippen behutsam und voll Innigkeit auf ihre beiden Augen drückte. Sie lag wie eine leblose Masse an seiner Brust, und obwohl sie weder weinte noch sprach, zuckten ihre Lippen unaufhörlich.
    Dann stand Agathon vor dem Gartentor und träumte, sah über das weite, nachtdunkle, schneeblaue Land, und fühlte gleichsam in seinen Augen, wie sehr er dies Land liebte, das ihm Heimat war.
    Als er am nächsten Morgen, es war der erste Weihnachtstag, an Estrichs Zaun vorbeikam, hörte er grimmiges Schelten im Hause. Er lauschte. Es war die wetternde, böse Stimme des Alten. Er traf dann Gudstikker, der ihm mit großer Erzählerfreude den Grund des Streites berichtete. Der Bruder des Alten sei ein heruntergekommener Mensch, der nichts mehr besitze, als ein ererbtes Patrizierhaus in Nürnberg, das er nicht verkaufen dürfe. Er sei ein höchst sonderbarer Kumpan, Alchymist, suche schon seit zwanzig Jahren den Stein der Weisen und habe dabei ein großes Vermögen verschwendet. Nun sei er zum Bruder betteln gekommen. Merkwürdig sei dabei nur, daß Käthe an diesem verrückten Onkel Goldmacher mit überschwenglicher Zärtlichkeit hänge. Onkel Baldewin komme bei ihr gleich neben der Bibel. »Wie glücklich sich doch manches trifft in der Welt,« schloß er in philosophischer Art seine Ausführungen, »daß solch ein närrischer Karpfen auch noch Baldewin heißen muß. Zu dumm!« Er schüttelte sich vor Lachen, schaute auf seine Uhr, die er dann aus Ohr legte und eilte davon.
    Daheim angelangt, sah Agathon einen Postboten, der für den Feiertagsgang von Frau Jette ein Trinkgeld erbat. Er hatte die Zeugenvorladung für die Verhandlung gegen Enoch Pohl gebracht. Frau Jette vermochte kaum ihren Namen unter den Empfangszettel zu setzen. Elkan Geyer würde Zeugnis ablegen – im Himmel. Er lag in Krämpfen und Fieberträumen und Frau Jette hatte niemand, der ihr beistehen konnte. Die Magd hatte sie gestern schon fortgeschickt, sie konnte das fremde Maul nicht mehr füttern, sie, die jeden Pfennig bewachen mußte.
    Gegen die Mittagszeit entstand ein Schreien und Durcheinanderreden vor den Fenstern. Agathon blickte hinaus. Die Rosenaus Mädchen verkündeten mit roten Gesichtern irgend einen aufregenden Vorfall. Agathon hätte es kaum beachtet, da die beiden zum Zeitvertreib alles zur Katastrophe aufbauschten, aber als Isidor ihm winkte, hinauszukommen, folgte er und erfuhr, daß sich eine von den vertriebenen, russischen Judenfamilien auf der Altenberger Landstraße befinde und vor Elend und Hunger nicht weiter könne.
    Die Unglücksstätte war nur eine Viertelstunde vom Dorf entfernt, und als Agathen dort war, bot sich ihm ein schrecklicher Anblick. Ein Mann, oder nur noch der Schatten eines Mannes, lag auf der Erde, und seine erloschenen Blicke irrten stier durch die Luft. Die Frau, ein Weib von etwa dreißig Jahren, das vielleicht noch vor Wochen schön gewesen war, jetzt aber das Aussehen einer Greisin hatte, kniete vor ihm und wimmerte wie ein geschlagener Hund. Ihre Finger schienen erfroren. Sie trug in Tüchern ein Kind auf dem Rücken, ein zweites, noch Säugling, lag im Schnee, ein Knabe von nicht mehr als sechs Jahren stand zusammengekrümmt, mit verweintem, schmierigen Gesicht neben ihr, klammerte sich, schlotternd vor Frost, an ihren Rock und richtete zuweilen in fremdländischen Lauten eine verzweifelte Frage an seine Mutter.
    Agathon, nicht geneigt zu träumen, unterbrach das Fragen und Gassen der andern, schickte Mirjam, die mitgelaufen war, zurück um einen Wagen zu holen, und da sich die Rosenaus zur Beherbergung der Unglücklichen

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