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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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zugestellt. Dennoch war der Er-
    folg nur gering, und die Wächter hatten oft kaum das eine Ende des Forstes verlassen, wenn
    die Blaukittel schon zum andern einzogen. Das währte länger als ein volles Jahr, Wächter und
    Blaukittel, Blaukittel und Wächter, wie Sonne und Mond immer abwechselnd im Besitz des Ter-
    rains und nie zusammentreffend.
    Es war im Juli 1756 früh um drei; der Mond stand klar am Himmel, aber sein Glanz fing an zu
    ermatten, und im Osten zeigte sich bereits ein schmaler gelber Streif, der den Horizont be-
    säumte und den Eingang einer engen Talschlucht wie mit einem Goldbande schloß. Friedrich
    lag im Grase, nach seiner gewohnten Weise, und schnitzelte an einem Weidenstabe, dessen
    knotigem Ende er die Gestalt eines ungeschlachten Tieres zu geben versuchte. Es sah über-
    müdet aus, gähnte, ließ mitunter seinen Kopf an einem verwitterten Stammknorren ruhen und
    Blicke, dämmriger als der Horizont, über den mit Gestrüpp und Aufschlag fest verwachsenen
    Eingang des Grundes streifen. Ein paarmal belebten sich seine Augen und nahmen den ihnen
    eigentümlichen glasartigen Glanz an, aber gleich nachher schloß er sie wieder halb und gähnte
    und dehnte sich, wie es nur faulen Hirten erlaubt ist. Sein Hund lag in einiger Entfernung nah
    bei den Kühen, die, unbekümmert um die Forstgesetze, ebenso oft den jungen Baumspitzen
    als dem Grase zusprachen und in die frische Morgenluft schnaubten. Aus dem Walde drang von
    Zeit zu Zeit ein dumpfer, krachender Schall; der Ton hielt nur einige Sekunden an, begleitet
    von einem langen Echo an den Bergwänden, und wiederholte sich etwa alle fünf bis acht Minu-
    ten. Friedrich achtete nicht darauf; nur zuweilen, wenn das Getöse ungewöhnlich stark oder
    anhaltend war, hob er den Kopf und ließ seine Blicke langsam über die verschiedenen Pfade
    gleiten, die ihren Ausgang in dem Talgrunde fanden.

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    Es fing bereits stark zu dämmern an; die Vögel begannen leise zu zwitschern, und der Tau
    stieg fühlbar aus dem Grunde. Friedrich war an dem Stamm hinabgeglitten und starrte, die
    Arme über den Kopf geschlungen, in das leise einschleichende Morgenrot. Plötzlich fuhr er auf:
    über sein Gesicht fuhr ein Blitz, er horchte einige Sekunden mit vorgebeugtem Oberleib wie ein
    Jagdhund, dem die Luft Witterung zuträgt. Dann schob er schnell zwei Finger in den Mund und
    pfiff gellend und anhaltend. - "Fidel, du verfluchtes Tier!" - Ein Steinwurf traf die Seite des un-
    besorgten Hundes, der, vom Schlafe aufgeschreckt, zuerst um sich biß und dann heulend auf
    drei Beinen dort Trost suchte, von wo das Übel ausgegangen war. In demselben Augenblicke
    wurden die Zweige eines nahen Gebüsches fast ohne Geräusch zurückgeschoben, und ein
    Mann trat heraus, im grünen Jagdrock, den silbernen Wappenschild am Arm, die gespannte
    Büchse in der Hand. Er ließ schnell seine Blicke über die Schlucht fahren und sie dann mit be-
    sonderer Schärfe auf dem Knaben verweilen, trat dann vor, winkte nach dem Gebüsch und
    allmählich wurden sieben bis acht Männer sichtbar, alle in ähnlicher Kleidung, Weidmesser im
    Gürtel und die gespannten Gewehre in der Hand.
    "Friedrich, was war das?" fragte der zuerst Erschienene. "Ich wollte, daß der Racker auf der
    Stelle krepierte. Seinetwegen können die Kühe mir die Ohren vom Kopf fressen." "Die Canaille
    hat uns gesehen", sagte ein anderer. "Morgen sollst du auf die Reise mit einem Stein am Hal-
    se", fuhr Friedrich fort und stieß nach dem Hunde. "Friedrich, stell dich nicht an wie ein Narr!
    Du kennst mich, und du verstehst mich auch!" Ein Blick begleitete diese Worte, der schnell
    wirkte. "Herr Brandis, denkt an meine Mutter!" "Das tu ich. Hast du nichts im Walde gehört?"
    "Im Walde?" Der Knabe warf einen raschen Blick auf des Försters Gesicht. "Eure Holzfäller,
    sonst nichts." "Meine Holzfäller!"
    Die ohnehin dunkle Gesichtsfarbe des Försters ging in tiefes Braunrot über. "Wie viele sind
    ihrer, und wo treiben sie ihr Wesen?" "Wohin Ihr sie geschickt habt; ich weiß es nicht." Brandis
    wandte sich zu seinen Gefährten: "Geht voran; ich komme gleich nach."
    Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandis dicht vor den Knaben:
    "Friedrich", sagte er mit dem Ton unterdrückter Wut, "meine Geduld ist zu Ende; ich möchte
    dich prügeln wie einen Hund, und mehr seid ihr auch

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