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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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in den Ruf eines
    hübschen, gewandten Burschen zu kommen. Sein Ohm, der nicht wohl ohne Projekte leben
    konnte, unternahm mitunter ziemlich bedeutende öffentliche Arbeiten, zum Beispiel beim
    Wegbau, wobei Friedrich für einen seiner besten Arbeiter und überall als seine rechte Hand
    galt; denn obgleich dessen Körperkräfte noch nicht ihr volles Maß erreicht hatten, kam ihm
    doch nicht leicht jemand an Ausdauer gleich. Margreth hatte bisher ihren Sohn nur geliebt,
    jetzt fing sie an, stolz auf ihn zu werden und sogar eine Art Hochachtung vor ihm zu fühlen, da
    sie den jungen Menschen so ganz ohne ihr Zutun sich entwickeln sah, sogar ohne ihren Rat,
    den sie, wie die meisten Menschen, für unschätzbar hielt und deshalb die Fähigkeiten nicht
    hoch genug anzuschlagen wußte, die eines so kostbaren Förderungsmittels entbehren konnten.
    In seinem achtzehnten Jahr hatte Friedrich sich bereits einen bedeutenden Ruf in der jungen
    Dorfwelt gesichert durch den Ausgang einer Wette, infolge deren er einen erlegten Eber über
    zwei Meilen weit auf dem Rücken trug, ohne abzusetzen. Indessen war der Mitgenuß des Ruhm
    auch so ziemlich der einzige Vorteil, den Margreth aus diesen günstigen Umständen zog, da
    Friedrich immer mehr auf sein Äußeres verwandte und allmählich anfing, es schwer zu verdau-
    en, wenn Geldmangel ihn zwang, irgend jemand im Dorf darin nachzustehen. Zudem waren

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    seine Kräfte auf den auswärtigen Erwerb gerichtet; zu Hause schien ihm, ganz im Widerspiel
    mit seinem sonstigen Rufe, jede anhaltende Beschäftigung lästig, und er unterzog sich lieber
    einer harten, aber kurzen Anstrengung, die ihm bald erlaubte, seinem früheren Hirtenamte
    wieder nachzugehen, was bereits begann, seinem Alter unpassend zu werden, und ihm gele-
    gendlichen Spott zuzog, vor dem er sich aber durch ein paar derbe Zurechtweisungen mit der
    Faust Ruhe verschaffte. So gewöhnte man sich daran, ihn bald geputzt und fröhlich als aner-
    kannten Dorfelegant an der Spitze des jungen Volkes zu sehen, bald wieder als zerlumpten
    Hirtenbuben einsam und träumerisch hinter den Kühen herschleichend oder in einer Waldlich-
    tung liegend, scheinbar gedankenlos und das Moos von den Bäumen rupfend.
    Um diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze doch einigermaßen aufgerüttelt durch eine
    Bande von Holzfrevlern, die unter dem Namen der Blaukittel alle ihre Vorgänger so weit an List
    und Frechheit übertraf, daß es dem Langmütigsten zuviel werden mußte. Ganz gegen den ge-
    wöhnlichen Stand der Dinge, wo man die stärksten Böcke der Herde mit dem Finger bezeich-
    nen konnte, war es hier trotz aller Wachsamkeit bisher unmöglich gewesen, auch nur ein Indi-
    viduum namhaft zu machen. Ihre Benennung erhielten sie von der ganz gleichförmigen Tracht,
    durch die sie das Erkennen erschwerten, wenn etwa ein Förster noch einzelne Nachzügler im
    Dickicht verschwinden sah. Sie verheerten alles wie die Wanderraupe, ganze Waldstrecken
    wurden in einer Nacht gefällt und auf der Stelle fortgeschafft, so daß man am andern Morgen
    nichts fand als Späne und wüste Haufen von Topholz, und der Umstand, daß nie Wagenspuren
    einem Dorfe zuführten, sondern immer vom Flusse her und dorthin zurück, bewies, daß man
    unter dem Schutze und vielleicht mit dem Beistande der Schiffeigentümer handelte. In der
    Bande mußten sehr gewandte Spione sein, denn die Förster konnten wochenlang umsonst wa-
    chen; in der ersten Nacht, gleichviel, ob stürmisch oder mondhell, wo sie vor Übermüdung
    nachließen, brach die Zerstörung ein. Seltsam war es, daß das Landvolk umher ebenso unwis-
    send und gespannt schien als die Förster selber. Von einigen Dörfern ward mit Bestimmtheit
    gesagt, daß sie nicht zu den Blaukitteln gehörten, aber keines konnte als dringend verdächtig
    bezeichnet werden, seit man das verdächtigste von allen, das Dorf B. freisprechen mußte. Ein
    Zufall hatte dies bewirkt, eine Hochzeit, auf der fast alle Bewohner dieses Dorfes notorisch die
    Nacht zugebracht hatten, während zu eben dieser Zeit die Blaukittel eine ihrer stärksten Expe-
    ditionen ausführten.
    Der Schaden in den Forsten war indes allzugroß, deshalb wurden die Maßregeln dagegen auf
    eine bisher unerhörte Weise gesteigert; Tag und Nacht wurde patrouilliert, Ackerknechte,
    Hausbediente mit Gewehren versehen und den Forstbeamten

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