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Die Judenbuche

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Titel: Die Judenbuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    "Wenn nur das verdammte Buschwerk nicht so dicht wà4re! da kann keine Seele hindurch",
    sagte der Gutsherr. Man trieb die Hunde in den jungen Schlag; man blies und hallote und
    kehrte endlich mißvergnügt heim, als man sich überzeugt, daß die Tiere den ganzen Wald ab-
    gesucht hatten. "Laßt nicht nach! laßt nicht nach!" bat Frau von S.; "besser ein paar Schritte
    umsonst, als daß etwas versäumt wird." Der Baron war fast ebenso beängstigt wie sie. Seine
    Unruhe trieb ihn sogar nach Johannes' Wohnung, obwohl er sicher war, ihn dort nicht zu fin-
    den. Er ließ sich die Kammer des Verschollenen aufschließen. Da stand sein Bett noch unge-
    macht, wie er es verlassen hatte, dort hing sein guter Rock, den ihm die gnädige Frau aus dem
    alten Jagdkleide des Herrn hatte machen lassen; auf dem Tische ein Napf, sechs neue hölzerne
    Löffel und eine Schachtel. Der Gutsherr öffnete sie; fünf Groschen lagen darin, sauber in Pa-
    pier gewickelt, und vier silberne Westenknöpfe; der Gutsherr betrachtete sie aufmerksam. "Ein
    Andenken von Mergel", murmelte er und trat hinaus, denn ihm ward ganz beengt in dem
    dumpfen, engen Kämmerchen. Die Nachsuchungen wurden fortgesetzt, bis man sich überzeugt
    hatte, Johannes sei nicht mehr in der Gegend, wenigstens nicht lebendig. So war er denn zum
    zweitenmal verschwunden; ob man ihn wiederfinden würde vielleicht einmal nach Jahren seine
    Knochen in einem trockenen Graben? Ihn lebend wiederzusehen, dazu war wenig Hoffnung
    und jedenfalls nach achtundzwanzig Jahren gewiß nicht.
    Vierzehn Tage später kehrte der junge Brandis morgens von einer Besichtigung seines Reviers
    durch das Brederholz heim. Es war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich heißer Tag, die Luft
    zitterte, kein Vogel sang, nur die Raben krächzten langweilig aus den Ästen und hielten ihre
    offenen Schnäbel der Luft entgegen. Brandis war sehr ermüdet. Bald nahm er seine von der
    Sonne durchglühte Kappe ab, bald setzte er sie wieder auf. Es war alles gleich unerträglich,
    das Arbeiten durch den kniehohen Schlag sehr beschwerlich. Ringsumher kein Baum außer der
    Judenbuche. Dahin strebte er denn auch aus allen Kräften und ließ sich todmatt auf das be-
    schattete Moos darunter nieder. Die Kühle zog so angenehm durch seine Glieder, daß er die
    Augen schloß. "Schändliche Pilze!" murmelte er halb im Schlaf. Es gibt nämlich in jener Ge-
    gend eine Art sehr saftiger Pilze, die nur ein paar Tage stehen, dann einfallen und einen uner-
    träglichen Geruch verbreiten. Brandis glaubte solche unangenehmen Nachbarn zu spüren, er
    wandte sich ein paarmal hin und her, mochte aber doch nicht aufstehen; sein Hund sprang
    unterdessen umher, kratzte am Stamm der Buche und bellte hinauf. "Was hast du da Bello?
    Eine Katze?" murmelte Brandis. Er öffnete die Wimper halb, und die Judenschrift fiel ihm ins
    Auge, sehr ausgewachsen, aber doch noch ganz kenntlich. Er schloß die Augen wieder; der
    Hund fuhr fort zu bellen und legte endlich seinem Herrn die kalte Schnauze ans Gesicht. "Laß
    mich in Ruh! Was hast du denn?" Hierbei sah Brandis, wie er so auf dem Rücken lag, in die
    Höhe, sprang dann mit einem Satze auf und wie besessen ins Gestrüpp hinein. Totenbleich
    kam er auf dem Schlosse an: in der Judenbuche hänge ein Mensch; er habe die Beine gerade
    über seinem Gesichte hängen sehen. "Und du hast ihn nicht abgeschnitten, Esel?" rief der Ba-
    ron. "Herr", keuchte Brandis, "wenn Ew. Gnaden dagewesen wären, so wüßten Sie wohl daß
    der Mensch nicht mehr lebt. Ich glaubte anfangs, es seien die Pilze!" Dennoch trieb der Guts-
    herr zur größten Eile und zog selbst mit hinaus.
    Sie waren unter der Buche angelangt. "Ich sehe nichts", sagte Herr von S. "Hierher müssen
    Sie treten, hierher, an diese Stelle!" Wirklich, dem war so: der Gutsherr erkannte seine eige-
    nen abgetragenen Schuhe. "Gott, es ist Johannes! Setzt die Leiter an! So nun herunter! Sacht,
    sacht! Laßt ihn nicht fallen! Lieber Himmel, die Würmer sind schon daran! Macht dennoch die
    Schlinge auf und die Halsbinde." Eine breite Narbe ward sichtbar; der Gutsherr fuhr zurück.
    "Mein Gott!" sagte er; er beugte sich wieder über die Leiche, betrachtete die Narbe mit großer
    Aufmerksamkeit und schwieg eine Weile in tiefer Erschütterung. Dann wandte er sich zu den
    Förstern: "Es ist nicht recht, daß der Unschuldige für den Schuldigen leide; sagt es nur allen
    Leuten: der da" er deutete

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