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Die Judenbuche

Die Judenbuche

Titel: Die Judenbuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette von Droste-Hülshoff
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Eintritt in das Wohnzimmer sah er scheu umher, wie vom Licht geblendet, und dann auf
    den Baron, der sehr zusammengefallen in seinem Lehnstuhl saß, aber noch immer mit den
    hellen Augen und dem roten Käppchen auf den Kopfe wie vor achtundzwanzig Jahren; neben
    ihm die gnädige Frau, auch alt, sehr alt geworden.
    "Nun, Johannes", sagte der Gutsherr, "erzähl mir einmal recht ordentlich von deinen Abenteu-
    ern. Aber", er musterte ihn durch die Brille, "du bist ja erbärmlich mitgenommen in der Tür-
    kei!" Johannes begann: wie Mergel ihn nachts von der Herde abgerufen und gesagt, er müsse
    mit ihm fort. "Aber warum lief der dumme Junge denn? Du weißt doch, daß er unschuldig
    war?" Johannes sah vor sich nieder: "Ich weiß nicht recht, mich dünkt, es war wegen Holzge-
    schichten. Simon hatte so allerlei Geschäfte; mir sagte man nichts davon, aber ich glaube
    nicht, daß alles war, wie es sein sollte." "Was hat denn Friedrich dir gesagt?" "Nichts, als daß wir laufen müßten, sie wären hinter uns her. So liefen wir bis Heerse; da war es noch dunkel
    und wir versteckten uns hinter das große Kreuz am Kirchhofe, bis es etwas heller würde, weil
    wir uns vor den Steinbrüchen am Zellerfelde fürchteten und wie wir eine Weile gesessen hat-
    ten, hörten wir mit einem Male über uns schnauben und stampfen und sahen lange Feuer-
    strahlen in der Luft gerade über dem Heerser Kirchturm. Wir sprangen auf und liefen, was wir
    konnten, in Gottes Namen gerade aus, und wie es dämmerte, waren wir wirklich auf dem rech-
    ten Wege nach P."
    Johannes schien noch vor der Erinnerung zu schaudern, und der Gutsherr dachte an seinen
    seligen Kapp und dessen Abenteuer am Heerser Hange. "Sonderbar!" lachte er, "so nah wart
    ihr einander! Aber fahr fort." Johannes erzählte nun wie sie glücklich durch P. und über die
    Grenze gekommen. Von da an hatten sie sich als wandernde Handwerksbursche durchgebettelt
    bis Freiburg im Breisgau. "Ich hatte meinen Brotsack bei mir", sagte er, "und Friedrich ein
    Bündelchen; so glaubte man uns." In Freiburg hatten sie sich von den Österreichern anwerben
    lassen; ihn hatte man nicht gewollt, aber Friedrich bestand darauf. So kam er unter den Train.
    "Den Winter über blieben wir in Freiburg", fuhr er fort, "und es ging uns ziemlich gut; mir
    auch, weil Friedrich mich oft erinnerte und mir half, wenn ich etwas verkehrt machte. Im Früh-
    ling mußten wir marschieren, nach Ungarn, und im Herbst ging der Krieg mit den Türken los.
    Ich kann nicht viel davon nachsagen, denn ich wurde gleich in der ersten Affäre gefangen und
    bin seitdem sechsundzwanzig Jahre in der türkischen Sklaverei gewesen!" "Gott im Himmel!
    Das ist doch schrecklich!" sagte Frau von S. "Schlimm genug, die Türken halten uns Christen
    nicht besser als Hunde; das schlimmste war, daß meine Kräfte unter der harten Arbeit vergin-
    gen; ich ward auch älter und sollte noch immer tun wie vor Jahren."
    Er schwieg eine Weile. "Ja", sagte er dann, "es ging über Menschenkräfte und Menschenge-
    duld; ich hielt es auch nicht aus. Von da kam ich auf ein holländisches Schiff." "Wie kamst du
    denn dahin?" fragte der Gutsherr. "Sie fischten mich auf, aus dem Bosporus", versetzte Johan-
    nes. Der Baron sah ihn befremdet an und hob den Finger warnend auf; aber Johannes erzählte
    weiter. Auf dem Schiffe war es ihm nicht viel besser gegangen. "Der Skorbut riß ein; wer nicht
    ganz elend war, mußte über Macht arbeiten, und das Schiffstau regierte ebenso streng wie die
    türkische Peitsche. Endlich", schloß er, "als wir nach Holland kamen, nach Amsterdam, ließ
    man mich frei, weil ich unbrauchbar war, und der Kaufmann, dem das Schiff gehörte, hatte
    auch Mitleiden mit mir und wollte mich zu seinem Pförtner machen. Aber" er schüttelte den
    Kopf "ich bettelte mich lieber durch bis hierher." "Das war dumm genug", sagte der Gutsherr.
    Johannes seufzte tief: "O Herr, ich habe mein Leben zwischen Türken und Ketzern zubringen
    müssen; soll ich nicht wenigstens auf einem katholischen Kirchhofe liegen?" Der Gutsherr hat-
    te seine Börse gezogen: "Da, Johannes, nun geh und komm bald wieder. Du mußt mir das al-

    Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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    Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
    Die Judenbuche

    les noch ausführlicher erzählen; heute ging es etwas konfus durcheinander. Du bist wohl noch
    sehr müde?" "Sehr müde", versetzte Johannes; "und" er deutete auf seine Stirn "meine Gedanken sind zuweilen

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