Die Judenbuche
hieß, an diesem Tage habe Mergel zuerst Hand
an sie gelegt, obwohl das Bekenntnis nie über ihre Lippen kam.
Literatur Online: Kunstguerilla for Freewarez am: 11.10.2000
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Annette von Droste-Hülshoff (1779-1848)
Die Judenbuche
Das zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne - man kann nicht sagen - er-
freut; denn Margreth soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte. Dennoch, obwohl
unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich ein gesundes hübsches Kind, das in der
frischen Luft kräftig gedieh. Der Vater hatte ihn sehr lieb, kam nie nach Hause, ohne ihm ein
Stückchen Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man meinte sogar, er sei seit der Ge-
burt des Knaben ordentlicher geworden; wenigstens ward das Lärmen im Hause geringer.
Friedrich stand in seinem neunten Jahre. Es war um das Fest der heiligen drei Könige, eine
harte, stürmische Winternacht. Hermann war zu einer Hochzeit gegangen und hatte sich schon
beizeiten auf den Weg gemacht, da das Brauthaus dreiviertel Meilen entfernt lag. Obgleich er
versprochen hatte, abends wiederzukommen, rechnete Frau Mergel doch um so weniger dar-
auf, da sich nach Sonnenuntergang dichtes Schneegestöber eingestellt hatte. Gegen zehn Uhr
schürte sie die Asche am Herde zusammen und machte sich zum Schlafengehen bereit. Fried-
rich stand neben ihr, schon halb entkleidet, und horchte auf das Geheul des Windes und das
Klappen der Bodenfenster.
"Mutter, kommt der Vater heute nicht?" fragte er. - "Nein, Kind, morgen." - "Aber warum
nicht, Mutter? Er hats doch versprochen." - "Ach Gott, wenn der alles hielte, was er verspricht!
Mach, mach voran, daß du fertig wirst!"
Sie hatten sich kaum niedergelegt, so erhob sich eine Windsbraut, als ob sie das Haus mit-
nehmen wollte. Die Bettstatt bebte, und im Schornstein rasselte es wie ein Kobold. - "Mutter -
es pocht draußen!" - "Still, Fritzchen, das ist das lockere Brett im Giebel, das der Wind jagt." -
"Nein, Mutter, an der Tür!" - "Sie schließt nicht; die Klinke ist zerbrochen. Gott, schlaf doch!
Bring mich nicht um das armselige bißchen Nachtruhe." - "Aber wenn nun der Vater kommt?" -
Die Mutter drehte sich heftig im Bett um. - "Den hält der Teufel fest genug!" - "Wo ist der Teu-
fel, Mutter?" - "Wart, du Unrast! Er steht vor der Tür und will dich holen, wenn du nicht ruhig
bist!"
Friedrich ward still; er horchte noch ein Weilchen und schlief dann ein. Nach einigen Stunden
erwachte er. Der Wind hatte sich gewendet und zischte jetzt wie eine Schlange durch die Fen-
sterritze an seinem Ohr. Seine Schulter war erstarrt; er kroch tief unters Deckbett und lag aus
Furcht ganz still. Nach einer Weile merkte er, daß die Mutter auch nicht schlief. Er hörte sie
weinen und mitunter "Gegrüßt seist du, Maria!" und "bitte für uns arme Sünder!" Die Kügel-
chen des Rosenkranzes glitten an seinem Gesicht hin. - Ein unwillkürlicher Seufzer entfuhr
ihm. - "Friedrich, bist du wach?" - "Ja, Mutter." - "Kind, bete ein wenig - du kannst ja schon das halbe Vaterunser - daß Gott uns bewahre vor der Wasser- und Feuersnot."
Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Das mannigfaltige Geräusch und
Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein
und draußen auch. "Hör, Mutter, gewiß, da sind Leute, die pochen." - "Ach nein, Kind; aber es
ist kein altes Brett im Hause, das nicht klappert." - "Hör! hörst du nicht? Es ruft! Hör doch!"
Die Mutter richtete sich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte
deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: "Margreth! Frau Margreth, heda,
aufgemacht!" - Margreth stieß einen heftigen Laut aus: "Da bringen sie mir das Schwein wie-
der!"
Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden heftig herbeigerissen.
Sie fuhr zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über die Tenne
gehen. Margreth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde
Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann in die Kammer und schien ängstlich etwas zu su-
chen. Mit einemmale ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten die Mutter. Sie
war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich meinte, sie sei tot; er erhob
ein fürchterliches Geschrei, worauf ihm jemand eine Ohrfeige gab, was ihn zur Ruhe brachte,
und nun begriff er nach und nach aus den Reden der
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