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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Welt, vor dem sich ein König so erniedrigen darf. Es gibt nichts in der Welt, das eine solche Erniedrigung wert wäre.
    Doch. Eines gibt es. Ein Herrliches, das jede Erniedrigung wert ist und die ewige Verdammnis dazu.
    Und mit einemmal ist alles wieder da, die Galiana und all ihr unchristliches Leuchten. Er spürt, wie sich Raquel an ihn schmiegt, er spürt ihre Haut, weich, unendlich wohltuend, er spürt ihr Blut, ihr schlagendes Herz. Seine Finger gleiten durch ihre Haare, zerren ihr die Haare, bis sie lachend sagt: »Nicht, Alfonso, es tut weh, Alfonso.« Wer kann so fremdartig komisch und dringlich »Alfonso« sagen wie sie, daß es einen lächert und einem ins Blut geht? Er sieht ihre taubenfarbigen Augen, sieht sie verlöschen, sieht die Lider sich darüber senken, langsam, schwer, und sich wieder auftun.
    Arabische Verse kamen ihm in den Sinn, die zu lesen sie ihm einmal gegeben hatte: »Oft hörte ich Pfeile um meinen Kopf schwirren und zuckte nicht; aber wenn ich ihr Kleid rascheln höre, zittere ich am ganzen Leib. Oft hörte ich Trompeten des anrückenden Feindes, und Herz und Haut blieben mir kalt; aber wenn ich ihre Stimme höre, überrieselt mich Hitze.« Die Verse hatten ihn geärgert; so knechtisch durfte sich ein Ritter nicht verlieren. Aber sie waren wahr, die süßen und knechtischen Verse, wahr wie das Evangelium. Ihn überrieselte Hitze, auch wenn er sich Raquel nur vorstellte. Wie hatte er daran denken können, sie aufzugeben, diese Raquel, seine Raquel, den herrlichen, frevelhaften Sinn seines Lebens?
    Er mußte Raquel wieder haben, er mußte sie versöhnen.
    Da war nur ein Weg. Er atmete hart. Aber es war nur dieser eine Weg.
    Er schickte nach Jehuda.Don Jehuda, einen mutigen Mann, hatte Angst gepackt, als mitten in der Nacht eine verstörte Raquel zu ihm kam. Sie sagte: »Er hat mich beschimpft, wie niemals eine Frau beschimpft worden ist.« Es drängte Jehuda, Einzelheiten zu erfragen. Er unterließ es. Weckte Musa, bat ihn, ihr einen starken Beruhigungstrank zu mischen, sagte: »Ruh aus, meine Tochter, und schlaf dich gesund.«
    Allein, überlegte er fieberisch, was vorgefallen sein mochte. Sicher hatte sie den Mann gebeten, die fränkischen Juden aufzunehmen. Jehuda wußte aus Erfahrung, wie tückisch und brutal der Mann Menschen erniedrigte, wenn er aufgebracht war. Und nun hatte Raquel das nicht ertragen, sie war ihm entlaufen, und der Mann war rachsüchtig, er wird seine Bosheit an ihm auslassen und an der ganzen Judenheit. Raquels und sein eigenes Opfer war umsonst gebracht.
    Er suchte sich zur Ruhe zu zwingen, aber er fand keinen Schlaf. Es durfte nicht sein, daß alles hin war, irgend etwas mußte es geben, woran eine Hoffnung ranken konnte. Er suchte und grübelte. Dieser Christenkönig, wiewohl er immerzu von Ehre sprach, kannte keine Würde. Zweimal, nachdem er ihn, Jehuda, beschimpft und bespien, hatte er eingesehen, daß er ihn brauchte, und sich von neuem an ihn herangemacht. Er liebte Raquel, er konnte ohne sie nicht leben, er wird sich auch an sie wieder heranmachen, er wird betteln, sie möge zurückkehren.
    Es war der Morgen des fünften Tischri. In weniger als drei Wochen war die Frist seines Gelübdes um. Jehuda, in dieser ersten schlaflosen Nacht, wußte, er wird noch viele schlaflose Nächte haben, er wird noch oft in Verzweiflung stürzen und wieder hochklettern an Hoffnungen und Geklügel.
    So stand es um Jehuda Ibn Esra. Wie aber steht es um dich, Raquel? Blaß, wortkarg schleichst du umher, vergeblich wartend auf eine Botschaft. Du spürst die besorgten, zärtlichen Blicke des Vaters, aber sie geben dir nicht Wärme noch Trost. Du hörst das ängstliche Geplapper der Amme – ach, ihr Geschenk, die »Hand der Fátima«, war ohne Kraft – und ihrGeschwatz gleitet von dir ab. Du rufst dir Gesicht, Gestalt und Gebärde des Mannes zurück, wie er war in jenen guten, glühenden Stunden, da sich Seelen und Leiber mischten. Aber das Bild wird dir weggewischt durch jenes andere, das des wüsten, gierigen, gewalttätigen Gesichtes. Schaut so die Ritterschaft aus, die ihn begeistert? Und trotzdem sehnst du dich nach ihm und weißt, er braucht nur zu rufen, und du gehst zurück, du rennst zurück zu ihm.
    Die Tage vergingen. Don Alfonso war in Toledo, aber er schickte nicht nach Raquel noch nach Jehuda. Nur Don Manrique kam, um Auskünfte in Staatsgeschäften einzuholen.
    Der heiligste Tag der Juden war da, der Versöhnungstag, der Jom Kippur. Jehuda, der merkwürdige,

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