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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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er die Erde nicht. War das der gleiche Mann, der vor kaum zwei Wochen noch zermahlen worden war von dem Bewußtsein seiner Nichtigkeit? Seine Hoffart wuchs in den Himmel. Seine Brust war voll von Gelächter über die andern, die Narren, die ihren Heiligen Krieg führen wollten um das Land, das ihnen nie gehören wird. Den echten Heiligen Krieg, den Krieg Gottes, führte er, Jehuda. Während die andern schlugen und wüsteten, siedelte er sechstausend Gerettete im Frieden an. Er sah sie, wie sie mit geschickten Köpfen und geschickten Händen arbeiteten, Werkstätten errichteten, Wein anbauten, nützliche Dinge erzeugten und austauschten.
    Mit seinem Freunde Musa feierte er seinen Triumph. Mit ihm, der Leckerbissen und gute Weine zu schätzen wußte,hielt er ein Dununisches Mahl, ein Festmahl auf die Art der Brüder Dunun, der berühmtesten Schlemmer der moslemischen Welt. Vor Musa freute er sich seines Glückes. War er nicht ein Liebling Gottes? Wenn ihm Gott zuweilen Unglück sandte, dann nur, damit er sein Glück um so besser schmecken könne.
    »Ich weiß, mein Freund«, antwortete liebevoll spöttisch Musa, »du bist der Nachfahr König Davids, und Gott trägt dich auf der Fläche seiner Hand über alle Fährnisse weg. Und darum brauchst du auch nicht immer deine gute Vernunft zu Rate zu ziehen, sondern darfst ›tun‹ und drauflosschlagen nach dem Behagen deines ungestümen Herzens, genau wie jene Ritter, die du so abgründig verachtest. Dein Verstand durchschaut sie, aber in deinen Geschäften handelst du nach ihrem Leitspruch: Nur nicht stillesitzen, immer was tun, und besser was Falsches als gar nichts.«
    Sie tranken von den köstlichen Weinen, und Jehuda seinesteils hänselte freundschaftlich seinen Musa: »Ja, der Weise muß gleichmütig sein in jeder Lebenslage und sich eher totschlagen lassen, als daß er selber dreinschlüge. Du hast es so gehalten, ich kann es bezeugen. Und wenn nicht ich mich darum gekümmert hätte, dann wärst du jetzt zwei- oder dreimal totgeschlagen worden und könntest nicht diesen Wein vom Flusse Rhone trinken.« Und sie tranken.
    »Ich bin froh«, sagte Musa, »daß du wenigstens für heute abend deinem Ibn Omar verboten hast, dir den schnellen Entwurf eines Staatsvertrags abzuverlangen oder die Order für die Ausfahrt einer Handelsflotte. Schade, daß die Stunden, da ich deine Freundschaft in Ruhe genießen kann, so selten sind. Du preisest immerzu den Frieden, aber dir selber gönnst du davon wenig.« – »Gönnte ich mir mehr«, antwortete Jehuda, »dann hätten die andern keinen.«
    Musa, mit stillen, lächelnden, prüfenden Augen, beschaute den Freund. »Du läufst schnell, mein Jehuda«, meinte er, »und du läufst immerzu. Ich fürchte, du läufst deiner Seele davon, sie kann dich nicht einholen. Oft bist du mit deinemGerenne ans Ziel gelangt, aber vergiß nicht, manchmal auch ist dir der Atem ausgegangen.« Und später sagte er: »Nur wenige begreifen: wir leben nicht, wir werden gelebt. Ich habe längst gelernt, daß ich nicht die Hand bin, die den Würfel wirft, sondern der Würfel. Du, fürchte ich, wirst das nie begreifen. Aber gerade darum liebe ich dich und bin dein Freund.«
    Lange saßen sie zusammen, aßen, schwatzten, tranken. Dann freuten sie sich der Tänzerinnen, die Jehuda hatte kommen lassen.
    Wenn in den folgenden Wochen Don Jehuda die Reden seines Musa bedachte, lächelte er freundlich überlegen. Alles fügte sich, wie er’s wollte. Zwei riesige Warentransporte, die er auf gut Glück aus dem Fernen Osten herbeordert hatte, waren durch die Gefahren des Meeres und des Krieges gegangen und im sichern Hafen. Ein schwieriger Vertrag mit den Behörden des Sultans Saladin war mitten im Heiligen Krieg unterzeichnet worden, Jehuda und dem Lande Kastilien zum Vorteil. Mit innigem Erstaunen sah Jehuda, wie die Wirklichkeit Toledos den Traum wahrmachte, den er damals geträumt hatte an der verfallenen Fontäne. Sein Stolz umschien ihn wie eine mattleuchtende Wolke.
    Er ließ sich ein Wappen entwerfen und vom König genehmigen. Da war die Menora, der siebenarmige Leuchter des Jahve-Tempels, und ringsum lief eine hebräische Inschrift, die Jehudas Namen aussagte und sein Amt. Er ließ sich ein Siegel schneiden mit diesem seinem Wappen, und dieses Siegel trug er auf der Brust, wie es Sitte gewesen war bei seinen Vorvätern, den Männern, von denen das Große Buch erzählte.
    Der Saladins-Zehnte, den die Aljama zahlte, war außerordentlich hoch, und so war die

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