Die Juedin von Toledo
vielschalige Mann, war ein anderer Jehuda an diesem Tage. Er tat allen kleinen Ehrgeiz ab, er gestand sich ein, daß seine »Sendung« nur eine Verkleidung seiner Machtgier war, er war in Wahrheit zerknirscht, ein elendes, sündiges Nichts vor Gott, und war er früher hochmütiger gewesen als die andern, so war er nun demütiger. Er schlug sich die Brust und betete mit heißer Scham: »Ich habe gesündigt mit meinem Kopfe, den ich frech und stolz erhob. Ich habe gesündigt mit meinen Augen, die dreist und hochfahrend blickten. Ich habe gesündigt mit meinem Herzen, das überheblich schwoll. Ich erkenne, ich bekenne, ich bereue. Verzeih mir, mein Gott, und gewähre mir Sühne.«
Er war jetzt nicht nur mit dem Verstand, sondern mit seinem ganzen Wesen bereit, hinzunehmen, was immer kommen wird.
Als zwei Tage später der König ihn vor sich rief, hoffte er nichts und fürchtete er nichts. »Willkommen, Gut und Bös«, sagte er auf dem Weg zur Burg vor sich hin, und so dachte er.
Alfonso war hochmütig und verlegen. Er sprach lang und breit von geringfügigen Geschäften, von den Schwierigkeiten etwa, welche die Barone de Arenas machten, und daß er nicht gesonnen sei, noch länger zuzuwarten. Vielmehr solle Jehuda den Arenas eine viel kürzere Frist setzen, als er vorgeschlagenhabe, und wenn die Herren dann nicht zahlten, werde er, Alfonso, das strittige Dorf mit Gewalt nehmen. Jehuda verneigte sich und sagte: »Ich werde tun, wie deine Majestät befiehlt.«
Alfonso legte sich auf sein Spannbett, verschränkte die Hände hinterm Nacken und sagte: »Und wie ist das mit meinem Krieg? Hast du noch immer nicht genug Geld gescheffelt?« Jehuda antwortete sachlich: »Einige dich mit Aragon, Herr König, und du kannst losschlagen.« – »Immer das gleiche«, knurrte Alfonso. Er richtete sich hoch und fragte ohne Übergang: »Und wie ist das mit den Juden, die du mir ins Land setzen willst? Versuche, ehrlich zu sein, und sprich nicht als ihr Bruder, sondern als mein Ratgeber. Werden nicht alle meine Untertanen mir vorwerfen: In währendem Heiligem Krieg läßt dieser König Tausende von jüdischen Bettlern ins Land?«
Im Nu schlug Jehudas trübe, entsagende Gefaßtheit um in wilde Freude. »Niemand wird dergleichen sagen, Herr König«, antwortete er, nun ganz der alte Jehuda, ehrerbietig, seiner Sache sicher, voll inneren Übermutes. »Ich hätte es nicht gewagt, dich um die Zulassung von Bettlern zu bitten. Ich möchte dir vielmehr untertänig vorschlagen, von jedem der Flüchtlinge beim Grenzübergang den Nachweis eines gewissen Vermögens zu verlangen, sagen wir von nicht weniger als vier Goldmaravedí. Die neuen Siedler werden keine Bettler sein, sondern gesetzte Leute, erfahren in Handwerk und Geschäft, und fette Steuern zahlen.«
Alfonso, fest gewillt, sich überzeugen zu lassen, fragte: »Glaubst du, man kann das meinen Granden und meinem Volke klarmachen?« Jehuda erwiderte: »Deinen Granden vielleicht nicht, deinem Volke bestimmt. Deine Kastilier werden den Zufluß daran merken, daß sie behaglicher leben.« Der König lachte. »Du übertreibst, wie ich’s an dir gewöhnt bin«, sagte er. Dann, immer beiläufig, befahl er: »Also laß das Edikt ausarbeiten.« Jehuda neigte sich tief und berührte mit einer Hand die Erde.
Noch ehe er sich wieder hochgerichtet hatte, fuhr der König fort: »Schick mir die Dokumente in die Galiana. Ich gehe heute dorthin zurück. Und sage, bitte, deiner Tochter: Wenn sie der Unterzeichnung beiwohnen will, wird es mir eine Freude sein.«
Am fünften Tag vor Ablauf der Frist, die er sich gesetzt hatte, teilte Don Jehuda dem Párnas Ephraim mit, der König Unser Herr habe die Ansiedlung von sechstausend fränkischen Juden genehmigt. Und: »Nun kann ich dir’s ersparen«, meinte er schalkhaft und stolz bescheiden, »den Bann über mich auszusprechen. Die zwölftausend Maravedí für unsere fränkischen Juden kann ich dir freilich nicht ersparen.« Und großmütig fügte er hinzu: »Es bleibt dein Verdienst, wenn sie ins Land kommen. Ohne die Zusage deiner Hilfe hätte ich’s nicht durchgesetzt.« Don Ephraim sagte mit blassen Lippen den Segensspruch, der bei Erhalt einer Glücksnachricht zu sprechen war: »Gelobt seist du, Adonai Unser Gott, der du gut bist und Gutes gewährst.« Nun aber brach Jehudas ganzer Triumph durch: »Naphtule elohim niphtalti – Die Siege Gottes habe ich gesiegt«, jubelte er.
Er ging umher, strahlenden Gesichtes, den Schritt beschwingt, als spürte
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