Die Juedin von Toledo
deiner Majestät mit allem, was ich habe«, sagte er, »auch mit dem Lederkoller meines Großvaters. Aber einige müssen wohl bleiben und hier weiterarbeiten mit dem Spaten. Willst du deinen Garten verkommen lassen, Herr König?« Das Zaudern des Gärtners gab Alfonso zudenken. »Morgen zieh ich ja noch nicht los«, antwortete er bösen Gesichtes. Und unversehens – man war nahe den verfallenen Zisternen, der zerstörten Zeitmessungsmaschine des Rabbi Chanan – befahl er: »Vorläufig schütten wir das da zu. Sonst fällt uns noch einer hinein des Nachts.«
Da Raquel auch am folgenden Tage nicht zurückkam, ritt er nach Toledo. Man schien in der Burg bereits zu wissen, daß er sich mit Raquel entzweit hatte, die Mienen waren fröhlich entspannt.
Er stürzte sich in die Arbeit.
Es war so, wie der Jude es vorhergesagt hatte: ein großes Blühen war im Land, Kastiliens Schatz war gefüllt. Vielleicht freilich hatte er auch damit recht, daß das Geld noch immer nicht genügte, Krieg zu führen gegen den Kalifen. Aber er irrte sich, der Jude, wenn er glaubte, er könne ihn durch solche Einwände noch länger von seiner heiligen Pflicht abhalten. Die Juden hatten sich lange genug gemästet am Fett des Landes; er brauchte ihnen nur wie sein Vetter Philipp August von Francien ihr Geld wieder abzunehmen, und er hatte seinen Kriegsschatz gegen den Kalifen.
Er sagte zu Manrique: »Ich halte es nicht mehr aus, hier der eques ad fornacem zu sein, der Ritter Ofenhocker, während die ganze Christenheit Krieg führt. Ich habe gerechnet und überlegt, und ich schätze: ich kann es wagen.« Don Manrique erwiderte: »Dein Escrivano, der ein guter Rechner ist, schätzt anders.« – »Unser Jude«, gab hochfahrend Alfonso zurück, »hat aus seiner Rechnung einen Posten ausgelassen: die Ehre. Was Ehre ist, davon versteht er so viel wie ich von seinem Talmud.« Manrique war besorgt. »Schließlich hast du ihn zum Hüter deiner Wirtschaft bestellt«, antwortete er, »und also ist es seine Pflicht, für deine Wirtschaft zu reden. Laß dich von Don Martíns Eifer nicht verleiten, Don Alfonso«, bat er. »Die Versuchung des Feldzugs ist groß, und es ist eine fromme Versuchung. Aber wenn wir nicht genug Geld haben, zwei Jahre durchzuhalten, dann kann das Reich zugrunde gehen in einem solchen Feldzug.«
Alfonso in seinem Innern mißtraute der Schätzung des Ibn Esra. Der suchte nach Gründen, den Heiligen Krieg zu verhindern, weil er nur im Frieden seine fränkischen Juden ins Land ziehen konnte. Aber einen so frechen Plan auch nur zu fassen, dazu hatte allein seine, des Königs, unheilige Leidenschaft den Juden ermutigt, und deshalb schämte sich Alfonso, dem alten Freunde Manrique von seinem Verdacht zu sprechen. Statt dessen grollte er: »Ihr unkt und unkt, und wer sich von der ganzen Christenheit am Barte zupfen lassen muß, bin ich.«
»Verhandle mit Aragon, Don Alfonso«, riet trocken und empfindlich Manrique. »Sprich dich aus mit Don Pedro. Schließ ein ehrliches Bündnis.«
Verdrossen entließ der König den Freund und Berater. Immer wieder riß an ihm die alte Kette. Natürlich hatte Manrique recht, natürlich war der Krieg nur möglich nach einer aufrichtigen Aussprache mit Aragon. Ein klares Abkommen mußte getroffen, ein Bündnis geschlossen werden. Aber nur ein Mensch konnte das zustande bringen, Leonor.
Er wird nach Burgos gehen.
Wie lange war er nicht mit Leonor zusammen gewesen? Eine Ewigkeit. Sie hatte kurze, höfliche Briefe geschrieben, er hatte, immer in langen Abständen, kurz und höflich erwidert. Er konnte sich gut vorstellen, wie es sein wird, wenn sie sich wiedersehen. Er wird den Muntern spielen, sie ihm ein freundliches, etwas verzerrtes Lächeln zurückgeben. Es wird kein erfreuliches Wiedersehen sein.
Er wird sich bemühen, ihr zu erklären, was geschehen ist. Aber wo sind die Worte, einem andern klarzumachen, wie herrlich und grauenhaft es ist, wenn eine solche ungeheure Welle über einen herbricht und einen hinunterreißt und wieder hoch und wieder hinunter?
Damals, vor Rodrigue, hat er sich stolz und trotzig zu Raquel und seiner Leidenschaft bekannt, und der Priester in all seiner Frommheit hatte ihn verstanden. Aber Leonor kann ihn nicht verstehen, sie, die Ruhige, Freundliche, Damenhafte.Vor ihr wird er stammeln, und was immer er sagt, wird armselig klingen wie der Versuch eines dummen Knaben, sich zu rechtfertigen. Es wird die schlimmste Erniedrigung seines Lebens sein.
Es gibt niemand in der
Weitere Kostenlose Bücher